Einheitskasse hätte tiefere Prämien zur Folge– stimmt das?
Eine Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine Einheitskasse, um die Prämien zu senken. Ob das aber passieren würde, sei keineswegs sicher, sagt ein Experte.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Einheitskasse könnte die Prämienlast senken – stimmt das?
- Es gebe Argumente, die dafür und dagegen sprechen, sagt Gesundheitsökonom Tobias Müller.
- Die Gesundheitskosten würden aber nicht per se gesenkt.
Vor einer Woche sorgten die Resultate einer Meinungsumfrage für Sensation: Über 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer wünschen sich eine Einheitskrankenkasse. Dies, obwohl das Anliegen schon zweimal an der Urne abgelehnt wurde.
Das Prämien-Fass scheint also voll zu sein, beziehungsweise das Portemonnaie leer. Eine Einheitskasse, versprechen linke Gesundheitspolitikerinnen und -politiker, würden die Prämienlast vieler Haushalte senken. Stimmt das?
Geld sparen bei Werbung und Verwaltung
«Schwer zu sagen», antwortet Tobias Müller, Gesundheitsökonom an der Berner Fachhochschule. Es gäbe Argumente dafür und dagegen: Einerseits würden die über 50 privaten Krankenkassen ihre Marketing- und Administrationskosten «auf die Versicherten in Form von höheren Prämien» überwälzen.

«Eine Einheitskasse hingegen muss keine Werbung machen, da die gesamte Bevölkerung bei ihr versichert ist», erklärt Müller. Auch bei der Administration liesse «sich sicherlich etwas einsparen». Und: Die «verschwendeten» Ressourcen zur «Selektion von guten Risiken» würden bei einer Einheitskasse nicht mehr anfallen.
Eigentlich dürften Krankenkassen Versicherte, die viel kosten, nicht abweisen – beispielsweise chronisch kranke Personen. Da dieser Anreiz dennoch besteht, hat der Bund die Massnahme des Risikoausgleichs ergriffen: Kassen, die eben «gute Risiken» versichern, müssen anderen Versicherern einen Ausgleich zahlen.
Wettbewerb zwischen Krankenkassen würde fehlen
«Gegen tiefere Prämien spricht der Wettbewerb zwischen den Kassen im heutigen System», erläutert Tobias Müller weiter. Dieser könne «zu Effizienzgewinnen führen, da Kassen mit tieferen Kosten tiefere Prämien anbieten können». Auch die Kundenzufriedenheit könne erhöht werden, «weil Kassen mit miesem Service Kunden verlieren».
«Bei einer Einheitskasse gibt es diesen Druck nicht oder weniger», so Müller. Also bestehe der Anreiz weniger, in die Kundenzufriedenheit zu investieren. Schliesslich könne niemand die Kasse wechseln.
Problem Gesundheitskosten: ungelöst
Fest stehe auch: Eine Einheitskasse hätte keinerlei Einfluss auf die wachsenden Gesundheitskosten. Aber die Krankenkassen könnten versuchen, «zu einer effizienteren medizinischen Versorgung beizutragen», sagt der Experte.
So zum Beispiel, indem sie für chronisch kranke Menschen eigene Programme aufbauen. Oder auch, indem sie sogenannte integrierte Versorgungsmodelle aufbauen und anbieten: Diese Vernetzung der Ärzteschaft, der Patientinnen und Patienten und der Versicherer gibt es schon lange – siehe Gemeinschaftspraxen.
Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) schrieb 2019 auch, das Potenzial sei noch gross. «Und hier liesse sich wiederum spekulieren, ob nun private Kassen oder eine staatliche Einheitskasse mehr davon machen würden», sagt Müller.
«Einheitskasse hätte grössere Verhandlungsmacht»
Einen Pluspunkt hätte aber die Einheitskasse für die Kostensenkung: «Im heutigen System verhandeln Verbände der Kassen mit den Verbänden der Leistungserbringern. Mit einer Einheitskasse hätte die Kassenseite sicherlich grössere Verhandlungsmacht.»
Der Gesundheitsökonom stellt fest, dass die Bevölkerung wohl eher nicht wisse, was eine einzige Krankenkasse für sie bedeuten würde. Stand heute seien nämlich noch viele Fragen offen: Etwa, welche Franchisen und Versicherungsmodelle angeboten würden. Oder auch, ob es kantonale Abstufungen gäbe.
Zudem: «Würde die Einheitskasse von einem privaten Anbieter oder dem Staat betrieben? Diese Fragen müssten zunächst einmal geklärt werden.»