Eltern-Organisationen kritisieren Impfkommission scharf
Impfkommissionsleiter Christoph Berger empfiehlt die Covid-Impfung nicht für Kinder unter 12 Jahren, auch nicht Off-Label. Das sorgt für Kritik von Eltern.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz ist der Pfizer/Biontech-Impfstoff für Kinder ab 12 Jahren zugelassen.
- Für Jüngere gibt es weder Zulassung noch Off-Label-Empfehlung, sagt die Impfkommission.
- Das bemängeln Elterngruppen wie «Kinder schützen jetzt» basierend auf US-Daten.
Aktuell infiziert sich keine Altersgruppe so stark wie diejenige der 10- bis 19-Jährigen. Kein Wunder: In den Schulen herrscht oft keine Maskenpflicht, repetitive Testungen sind nicht obligatorisch, auch nicht für Lehrpersonen.
Das ist für Geimpfte weniger tragisch, weil der Schutz vor einem gefährlichen Verlauf gewährleistet wird. Weil aber Swissmedic den Pfizer/Biontech-Impfstoff erst ab 12 Jahren zugelassen hat, stehen viele jüngere Kinder ohne Immunisierung da. Die Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) möchte auch keine Off-Label-Empfehlung aussprechen. Mit einer solchen könnten Kinderärzte die Impfung auch ohne explizite Zulassung verabreichen.
«Wir sind uns im Moment einig: Die Kinder haben eine geringe Krankheitslast», sagte EKIF-Leiter Christoph Berger, der beruflich Kinderarzt ist. «Es gibt sehr viele Infektionen, es gibt fast keine Hospitalisationen.» Die EKIF wolle nach wie vor bei den ungeimpften Erwachsenen ansetzen, so Berger.
Eltern: «Berger verharmlost Risiken»
Das sehen Elterngruppen wie «Kinder schützen – jetzt» ganz anders. «Unser Standpunkt ist: Herr Berger verharmlost die Risiken einer Covid-Erkrankung für Kinder», sagt Fredy Neeser von «Kinder schützen – jetzt». Das Risiko für ein Kind, wegen Covid hospitalisiert zu werden, habe wegen der Delta-Variante von einem auf zwei Prozent zugenommen.
Ebenfalls liege das Risiko einer PIMS-Erkrankung für ein Kind bei circa eins zu 3000, so Neeser. «Bei einer unkontrollierten Durchseuchung von über einer Million Kinder in den Schulen wird dies unweigerlich zur Hospitalisierung von Vielen führen.» Zudem seien die Folgen einer Erkrankung, das Post-Covid-19, wie die WHO Long Covid nun nennt, nicht vernachlässigbar. «Je nach Quelle sind mindestens zwei bis acht Prozent der infizierten Kinder betroffen», erklärt der Wissenschaftler.
Zum Post-Covid gehörten lang anhaltende, sowie auch neu auftretende Symptome, davon viele neurologisch. Nachdem Kinderimpfungen in den USA und in Nachbarstaaten verfügbar seien, sei es unverantwortlich, diese Risiken in Kauf zu nehmen. «Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat einstimmig für die Impfung von Kindern zwischen fünf und zwölf Jahren gestimmt: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei sehr gut», argumentiert Neeser.
Haben die Behörden nicht vorausgedacht?
Eine andere Organisation, «Protect The Kids», kritisiert die Aussage Bergers, wonach die Schweiz «erstens einmal» den Impfstoff gar nicht habe. «Der Erfolg der Impfwoche war bestenfalls ‹durchwachsen›. Kinder nehmen hier niemandem etwas weg», so Mitgründer Rui Biagini. «Es sei denn, man hat nicht vorausgedacht.»
Auch das Argument, es gebe keine Daten, sei schlicht falsch, klagt Biagini. Er verweist auf die USA: Dort seien schon vor Zulassung mehr als 200'000 Kinder unter 12 Jahren vollständig geimpft worden. Für die «staatliche EKIF» sollte es möglich sein, an diese Daten heranzukommen, behauptet er.
Es gehe aber längst nicht mehr nur um Kinder und deren Schutz, sondern um die Kontrolle der Pandemie, so Biagini. «Herr Berger verpasst es, die Frage nach den Kindern in den grösseren Kontext zu stellen.» Während der Impfschutz bei den Älteren abnehme, trügen die ungeschützten Kinder das Virus in die Bevölkerung. «Das ist ein Rezept für einen schlimmeren Corona-Winter als 2020.»