Energiepark auf 2500 m.ü.M.: Für Naturschützer «vertretbar»
Armasuisse will im Bündner Hochgebirge eine Wind- und Solarenergie-Anlage bauen. Naturschützer sind einverstanden – mit Vorbehalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Armee will in der Surselva auf 2500 Metern einen «Energiepark» bauen.
- Die Hybridanlage soll sowohl Wind- wie Solarenergie nutzen.
- Umweltschützer attestieren dem Projekt, es stehe nicht im Konflikt mit dem Naturschutz.
Nicht nur wegen der aktuell drohenden Energiekrise wären ein paar zusätzliche einheimische, klimafreundliche Kraftwerke ganz nett. Die vom Volk abgesegnete Energiestrategie 2050 fordert einen Ausbau der erneuerbaren Energien und Bundesrätin Simonetta Sommaruga ermahnt immer wieder: Jetzt braucht es auch Kompromisse beim Landschaftsschutz. Genau ein solches Projekt mit Konfliktpotential startet nun ausgerechnet der Bund. Armasuisse Immobilien, das Immobilienkompetenzzentrum des VBS, will einen «Energiepark» bauen – auf 2500 Metern in den Bündner Alpen.
Testanlage mit Wind- und Sonnenenergie
Bei den Kraftwerksplänen der Armee dürfte aber weniger die Versorgungssicherheit im Zentrum gestanden haben. Sondern der Anspruch, auf 100 Prozent erneuerbaren Strom zu setzen. Deshalb werden auf Waffenplätzen auch ganze Hallendächer mit Solarpanels zugepflastert.
Oberhalb des Lukmanierpasses, in Sichtweite der Tessiner Grenze, mitten im Felshang soll die Hybridanlage zu stehen kommen. Denn dort steht die nicht mehr benötigte Mittelstation der Militärseilbahn auf den künstlichen Gipfel des 3190 Meter hohen Scopi. In den Gipfel gebaut befindet sich eine, mittlerweile mehrheitlich zivil genutzte, Luftraum-Überwachungsanlage mit zehn Arbeitsplätzen.
Armee braucht weniger Bewilligungen
Anders als bei den umstrittenen hochalpinen Solarprojekten im Wallis sitzt – eigentlich – Armasuisse am längeren Hebel gegenüber den Umweltschützern. Erstens nutzt sie eine bestehende Anlage um, zweitens wurde diese aus militärischen Gründen gebaut. Somit unterliegt sie der Militärgesetzgebung und es braucht lediglich eine Plangenehmigung, die erst noch VBS-intern erteilt wird.
Das Baugesuch sei eingereicht, der Standort biete gute Bedingungen, schon im Herbst werde mit der Installation eines Prototyps begonnen. Das VBS setzt auf sogenannte «Windblumen», Windräder mit einem Kranz aus Solarpanels untenrum. Die Testanlage soll im Herbst 2023 in Betrieb gehen und im Jahr rund 60 MWh Strom liefern. Wenn alles klappt, sollen insgesamt neun Windblumen installiert werden.
Naturschützer mit Vorbehalten
Soll die Armee zugunsten der energetischen Landesverteidigung die Alpen verschandeln dürfen? Mit der angestrebten halben Gigawattstunde pro Jahr allein werden die Klimaziele nicht erreicht. Andererseits ist dies immerhin etwa gleichviel, wie die ehemals grösste Photovoltaik-Anlage Europas auf dem Mont Soleil im Berner Jura produziert.
Die Umweltorganisationen seien anfänglich für den Abbruch der Mittelstation im Rahmen des Neubaus der Seilbahn gewesen, sagt Armando Lenz. Der Geschäftsführer von Pro Natura Graubünden betrachtet das Projekt auch heute noch kritisch. «Für uns ist es wichtig, dass die Biodiversitätskrise und die Klimakrise gemeinsam angegangen werden, und diese nicht gegeneinander ausgespielt werden.»
Immerhin: «Das Projekt fügt sich gut in die Landschaft ein und steht nach jetzigem Wissensstand nicht im Konflikt mit dem Naturschutz.» Noch ausstehend sei eine Beurteilung der Auswirkungen durch den Energiepark auf die Vogelwelt. Die laufenden Untersuchungen dazu könnten im Rahmen der Testanlage fertiggestellt werden, so Lenz.
Pro Natura: «Auswirkungen vertretbar»
Dies bestätigt Armasuisse-Sprecherin Margrit Schwaller auf Anfrage. Dies sei eine der Anregungen gewesen im Rahmen mehrerer Informationssitzungen mit Umweltverbänden, Grundeigentümern und der öffentlichen Hand. «Armasuisse Immobilien hat die Schweizerische Vogelwarte beauftragt, eine Studie zur Erfassung des Vogelzugs im Bereich der Testanlage Stadera vorzunehmen.» Die Studie werde voraussichtlich Ende 2022 vorliegen.
Der frühzeitige Einbezug aller Interessensgruppen scheint sich gelohnt zu haben. So bestätigt Armando Lenz von Pro Natura Graubünden, dass Bedenken ausgeräumt werden konnten. «Aufgrund einer Begehung vor Ort und der vorliegenden Visualisierungen können wir bestätigen, dass die landschaftlichen Auswirkungen vertretbar sind.»