Ersetzt Predikon schon bald die Politologen?
Die SRG-Hochrechnungen stiessen aufgrund der knappen Kampfjet-Abstimmung an ihre Grenzen. Das Tool Predikon hingegen erfüllte die Erwartungen voll und ganz.
Das Wichtigste in Kürze
- Zwei von fünf Vorlagen machten dem Institut gfs.bern und der SRG zu schaffen.
- Das Jagdgesetz und die Kampfjets liessen lange keine klare Vorhersage zu.
- Das EPFL-Tool Predikon aber prognostizierte ab Mittag alle fünf Vorlagen korrekt.
15 Uhr nachmittags im SRF-Studio am Abstimmungssonntag. Die Kampfjet-Vorlage steht nach wie vor bei einer fifty-fifty-Prognose. Der Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern will sich noch nicht zu einem sicheren Resultat äussern.
Gleiche Uhrzeit auf der Webseite des ETH-Lausanne-Algorithmus «Predikon»: Die Prognose des Tools steht bei 49,87 Prozent Ja-Stimmen. Nur eine halbe Stunde später steigt der Ja-Wert wieder auf 50,41 Prozent. Offensichtlich stiessen sowohl die Politologen als auch die künstliche Intelligenz beim Stimmvolk an ihre Grenzen.
Könnten Algorithmen die Politologen ersetzen?
Victor Kristof, Doktorand in künstlicher Intelligenz und einer der Schöpfer von Predikon, ist insgesamt sehr zufrieden mit seinen Prognosen. «Tatsächlich lagen unsere Vorhersagen um 12:02 Uhr alle auf der richtigen Seite der fünfzig Prozent», sagt er zu Nau.ch.
Dieses Ergebnis erzielte Predikon mit nur fünf Prozent ausgezählter Stimmzettel. Die Fehlerquote bei den allerersten Prognosen lag im Schnitt bei 0,8 Prozentpunkten, so Kristof stolz.
Trotzdem könne Predikon Lukas Golder und seine Kollegen nicht ersetzen, sagt der Wissenschafter. Die Umfragen von gfs.bern seien nicht mit Prognosen vergleichbar, da diese vor den offiziellen Auszählungen, also ohne harte Daten, zustande kämen.
Kristof erklärt: «Eine Vorhersage verwendet Daten, um mithilfe eines statistischen Modells das wahre Ergebnis einzuschätzen.» Umfragen und Prognosen seien dementsprechend sehr unterschiedlich voneinander, aber komplementär zueinander.
Politologen nach wie vor wichtig
Algorithmen genossen zwar immer mehr Ansehen im politischen Leben, weil ihre Vorhersagen viel präziser als diejenigen basierend auf Umfragen seien. «Aber die Algorithmen erklären nicht, warum wir diese oder jene Vorhersage erhalten», verdeutlicht Kristof.
Es sei sehr wichtig, weiterhin Experten in Statistik, künstlicher Intelligenz, Informatik, Politologie und Soziologie zu haben. Nur diese zusammen könnten akkurate Analysen über die politische Landschaft durchführen.
«Zusammenfassend kann man sagen: Nein, ich glaube nicht, dass Algorithmen die Politikwissenschaftler ersetzen werden, ganz im Gegenteil!», so der Wissenschaftler. Lukas Golder müsse sich da keine Sorgen machen, lächelt Kristof.
Das Forschungsteam überlege sich aber, schon Prognosen vor den ersten Auszählungen zu treffen, verrät der Westschweizer. So könne man auch die Umfragen gezielter ausgestalten und eventuell die Kosten reduzieren.