«Für Alain Berset gibt es keinen Anlass, Aussagen zu machen»
Politik-Analyst Mark Balsiger ist überzeugt: Alain Berset hat keinen Anlass, zu den «Corona-Leaks» substanzielle Aussagen zu machen – sie könnten ihm schaden.
Das Wichtigste in Kürze
- Während der Pandemie bestand ein reger Austausch zwischen dem BAG und dem «Blick»-Verlag.
- Bisher hält sich Alain Berset mit seinen Aussagen zurück: Auch im «10 vor 10» schweigt er.
- Experte Mark Balsiger ist nicht überrascht: Substanzielle Aussagen könnten Berset schaden.
Gestern hat Alain Berset sein Schweigen gebrochen: Gegenüber «10 vor 10» hat sich der Bundespräsident zu den neusten Enthüllungen rund um die «Corona-Leaks» geäussert. In dem kurzen Interview setzt der strauchelnde Bundesrat primär auf eine altbewährte Taktik: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Die pointierten Fragen von Urs Gredig beantwortet Alain Berset nämlich grossmehrheitlich überhaupt nicht. Er könne nicht zu einem laufenden Strafverfahren Stellung nehmen, so der Sozialdemokrat. Ähnlich wie seine Parteigenossen sieht sich der SP-Magistrat in der Angelegenheit auch als Opfer: Dass eine «illegale Veröffentlichung von E-Mails» am Ursprung der ganzen Affäre stünde, sei ein Problem, das diskutiert werden müsse.
Polit-Analyst Mark Balsiger ordnet ein
Für Polit-Analyst Mark Balsiger ist diese Argumentationslinie «keine Überraschung»: Bereits am Wochenende habe Alain Berset diesen Kurs im Westschweizer Radio «RTS» vorgegeben. Dass in seinem Departement allem Anschein nach eine Standleitung in die Chefetage des Ringier-Verlags bestand, blende Berset völlig aus: Davon wisse er nichts – das habe er bereits mehrfach gesagt, so Balsiger.
Der Experte gibt zu bedenken, dass die ganze Angelegenheit wegen der Gewaltenteilung «knifflig» sei: Eine generelle Untersuchung zu Indiskretionen aus dem Bundeshaus laufe schon seit geraumer Zeit. Künftig werde überdies ein weiterer ausserordentlicher Staatsanwalt eingesetzt, der sich spezifisch mit den «Corona-Leaks» aus Bersets Innendepartement befassen soll.
Balsiger ist überzeugt: Im Parlament sei man sich nicht einig, ob die Resultate dieser ersten Untersuchungen abgewartet werden müssen. Dies würde zweifelsohne zu einer monatelangen Verzögerung führen. Überdies seien die Handlungsmöglichkeiten der Geschäftsprüfungskommissionen im Parlament im vorliegenden Fall bescheiden, so Balsiger.
«Für Alain Berset gibt es keinen Anlass, substanzielle Aussagen zu machen»
Ferner ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sich das Strafverfahren gegen Peter Lauener wohl noch Jahre hinziehen wird: «Die Mühlen in strafrechtlichen Prozessen mahlen langsam», gibt Nationalrat Alfred Heer im gestrigen «Club» im SRF zu bedenken.
Balsiger vertritt die Ansicht, dass Alain Berset diese langen Abläufe natürlich antizipiert habe. Für ihn gebe es deshalb keinen Anlass, substanzielle Aussagen zu machen: «Sie könnten ihm schaden. Wenn in absehbarer Zeit keine neuen Elemente zu diesem Fall auftauchen, wird es wieder ruhiger.» So würde der Sozialdemokrat die ganze Affäre einfach aussitzen.
Gespaltene Ansichten im «Club»
Auch im gestrigen «Club» wurde die Angelegenheit thematisiert: Mehrere Politiker und Experten haben über die «Corona-Leaks» debattiert. Insbesondere die Gäste linker Couleur versuchten dabei wiederholt, den Gesprächsfokus auf ein «allgemeines Problem von Indiskretionen im Bundeshaus» zu lenken. Die bürgerliche Seite verwies wiederum darauf, dass die Standleitung aus dem Bundesratszimmer die offene Diskussionskultur innerhalb der Landesregierung behindere.
Andererseits verweist FDP-Ständerat Andrea Caroni darauf, dass die «Leaks» auch die öffentliche Meinung «vorkochen» würden. Dies ist vornehmlich problematisch, weil im Falle des Ringier-Verlags eine äusserst wohlwollende Berichterstattung daraus resultierte.
Schliesslich ist SVP-Nationalrat Alfred Heer überzeugt: Wenn Alain Berset wirklich ein Interesse an der Aufklärung des Falles hätte, könne er denselben jederzeit aufklären. Schliesslich sei es Berset selbst, der am besten wisse, was genau vorgefallen ist. «Stattdessen versteckt er sich jetzt hinter einem Strafverfahren, welches frühestens in drei, vier oder fünf Jahren abgeschlossen sein wird.»