«Giacometti-Initiative» scheitert im Sammelstadion
Die «Giacometti-Initiative» scheitert im Sammelstadion: Rund 80'000 Schweizerinnen und Schweizer hatten das Anliegen unterzeichnet. 100'000 wären nötig gewesen.
Das Wichtigste in Kürze
- Jüngst greifen Bundesrat und Parlament immer häufiger zu dringlichen Bundesgesetzen.
- Eine Volksinitiative wollte Abhilfe schaffen: Dringliche Bundesgesetze sollen vors Volk.
- 78'125 Menschen haben die Initiative unterzeichnet – sie scheitert im Sammelstadion.
Die direkte Demokratie stellt eine der grössten Besonderheiten im politischen System der Schweiz dar. Die Mitgestaltungsrechte der hiesigen Stimmbevölkerung sind dadurch aussergewöhnlich gross. Kern dieser Mitgestaltung bilden die Instrumente der Initiative und des Referendums.
Das Instrument der dringlichen Bundesgesetze wiederum kann gewissermassen als Gegenstück dazu verstanden werden. Erklären Mehrheiten in jedem Rat ein Bundesgesetz für dringlich, tritt es sofort in Kraft. Eine allfällige Volksabstimmung darüber findet – wenn überhaupt – dann erst Monate später statt.
Die «Giacometti-Initiative» verlangte, dass dringlich erklärte Bundesgesetze nach Annahme durch die Bundesversammlung der Stimmbevölkerung obligatorisch zur Abstimmung unterbreitet werden. Ansonsten trete das Gesetz nach Ablauf einer 100-tägigen Frist wieder ausser Kraft.
Heute endete die Sammelfrist für die Initiative. Das Volksanliegen kommt nicht zustande. Die Initianten vermelden auf ihrer Webseite den Eingang von 78'125 Unterschriften. 100'000 wären nötig gewesen.
«Bedürfnis da, mit Notrecht sorgsam umzugehen»
Weder Parteien noch Verbände hätten die Unterschriftensammlung unterstützt, sagte Marco Giacometti vom Initiativkomitee auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Angesichts dessen sei die Zahl der gesammelten Unterschriften beachtlich. «Es ist ein Bedürfnis da, sorgsam umzugehen mit Notrecht», so Giacometti.
Zaccaria Giacometti (1893 bis 1970) stammt aus Stampa GR. Er war Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich, wie es im historischen Lexikon der Schweiz (HLS) heisst. Demnach kritisierte er im Zweiten Weltkrieg die Vollmachtenbeschlüsse und die Vollmachtenpraxis als verfassungswidrig, weil die Bundesverfassung kein Notrecht vorsehe.