GLP-Bäumle dämpft Hoffnungen und warnt vor 3. Welle

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Vom Bundesrat werden demnächst Lockerungen erwartet. Dass ein Grossteil der Bevölkerung eh schon immun sei, stellt GLP-Nationalrat Martin Bäumle aber infrage.

Martin Bäumle 3. Welle
Martin Bäumle (GLP), Magdalena Martullo-Blocher (SVP), Melanie Mettler (GLP) und Grünliberalen-Präsident Jürg Grossen, von links, sprechen während der Frühlingssession der Eidgenössischen Räte, am Montag, 8. März 2021 im Nationalrat in Bern. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Öffnungs-Turbos spekulieren, viele seien bereits immun gegen das Coronavirus.
  • GLP-Nationalrat Martin Bäumle dämpft die Hoffnungen.
  • Seinen Berechnungen zufolge kommt die 3. Welle schon in einigen Wochen.

Ob schon am 22. März oder erst am 1. April: Öffnungen sind angesagt bei der nationalen Pandemie-Bekämpfung. Morgen wird der Bundesrat die Lage beurteilen und die nächsten Lockerungsschritte verkünden.

Die Situation ist indes schwierig zu interpretieren. Die Fallzahlen sind eher im Steigen begriffen, doch ein Grossteil der Risikogruppe ist unterdessen geimpft. Inklusive Dunkelziffer sei wohl ein grosser Teil der Bevölkerung mittlerweile immun, heisst es bei den Öffnungs-Turbos. Mit guten Schutzkonzepten sei eine Öffnung zu wagen.

«Das wäre völlig absurd!»

Nicht so vorschnell, warnt dagegen GLP-Nationalrat Martin Bäumle. Er zückt seinen Laptop, startet seine ausufernde Excel-Tabelle, und demonstriert es Schwarz auf Weiss. Und Orange, Violett und Alarm-Rot. Bloss eins sind die Kurven seiner ausgeklügelten Pandemie-Simulation nicht: Rosig.

Smart Restart Bäumle Coronavirus
Modellierung der Anzahl Personen, die an einem Tag ansteckend sind, anhand der Berechnungen im Projekt «Smart Restart» von GLP-Nationalrat Martin Bäumle. In Grün das Szenario Basis-Plus, orange das pessimistische und violett das optimistische Szenario. - smartrestart.github.io / Nau.ch

Bei der Anzahl «Menschen mit Viruskontakt» geht er von unter 20 Prozent aus. Mit dem Vorbehalt, dass nicht alle Geimpften und Angesteckten jetzt auch immun sind. Jetzt schon darauf abzustützen und deshalb Öffnungsschritte zu forcieren, «das wäre völlig absurd», warnt Bäumle. Auch wenn er einräumt: «Der Effekt der Impfung ist vorläufig noch schwierig zu modellieren.»

Wie gut schützt die Impfung?

Erkranken wirklich 95 Prozent der Geimpften nicht mehr und können sie auch das Virus nicht weitergeben? Dieser Faktor werde entscheidend sein: «Im Herbst folgt dann der nächste Prüfstein.» Je nach dem, welche Prozentzahl Bäumle in sein Modell einspeist, macht die Kurve der Angesteckten im Frühling wilde Sprünge.

Impfstatistik Coronavirus Schweiz
Anteil der vollständig geimpften Personen nach Kantonen, je dunkler desto höher der Wert. - BAG / Nau.ch

Das Problem sei, das erst wenige Personen geimpft seien und diese zudem wenig mobil. «Und wir sind auf einem zu hohen Niveau. Mir wäre lieber, wir würden nur sehr punktuell lockern. Sonst müssen wir in ein paar Wochen gleich wieder runterfahren.»

Dritte Welle im April

Je nach Szenario würden nämlich im April die Fallzahlen gleich wieder rasant ansteigen. Zwar berechnet Bäumle auch ein Basis- und ein optimistisches Szenario. Er geht aber davon aus, dass in den nächsten Wochen so oder so gewisse Öffnungsschritte erfolgen.

Miteinkalkuliert ist zwar auch, dass es sicher nicht Null Massnahmen geben wird. Aber der Faktor Mensch spielt mit: Die Verhaltensmuster der Bevölkerung geben den Ausschlag. Und das entzieht sich zum Teil der Statistik. Aber vermutlich werden viele weitaus weniger diszipliniert sein als noch im Dezember.

Kommen die Öffnungsschritte zu früh?

Das Erreichen seiner Zielgrösse von 500 Fällen pro Tag rückt so in immer weitere Ferne. Im optimalen Falle wäre dies laut Bäumle frühestens im April zu erreichen, aber nur mit einem Effort. «Indem man TTIQ (Testen, Tracen, Isolation, Quarantäne) mustergültig umsetzt. Dazu gehört Testen in Schulen und Betrieben und Contact Tracing ausweiten auf sieben Tage zurück.»

Martin Bäumle
Martin Bäumle mit einem Messgerät für Luftqualität im Nationalrat. Der Wissenschafter und GLP-Nationalrat verfolgt die Entwicklung der Corona-Zahlen ganz genau. - Keystone

Die Luftqualität in Innenräumen müsse mit guter Lüftung sichergestellt sein. «Wenn zum Beispiel Kinos oder Restaurants das bieten können, könnten sie auch rascher öffnen.»

So aber geht Bäumle davon aus, dass die Fallzahlen schon nach wenigen Wochen wieder stark ansteien – «zu stark», betont er. Man wäre wieder auf einem Niveau wie Ende letzten Jahres. «Wenn 40, 50 Prozent nicht mehr ansteckend sind, das wäre etwas anderes. Aber davon sind wir noch weit entfernt.»

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