GLP-Grossen: Rösti hat gar nicht AKWs gemeint
GLP-Präsident Jürg Grossen glaubt nicht an ein Comeback von Atomkraftwerken: Bundesrat Rösti habe mit «anderen Technologien» wohl «Power-to-X» gemeint.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach 100 Tagen als Energieminister verlangt Albert Rösti von allen «Technologieoffenheit».
- Für GLP-Präsident Jürg Grossen spielt er damit nicht zwangsläufig auf Atomkraft an.
- AKWs seien nicht wirtschaftlich – «Power-to-X» dagegen schon.
Spätestens seit der Rede von Albert Rösti zur Zwischenbilanz nach 100 Tagen erhält die Diskussion um Atomkraft hierzulande neuen Elan: Gegenüber den Medien zeigt sich der Umweltminister erneut «offen für alle Technologien». In einem zweiten Schritt forderte der Berner Oberländer dieselbe Technologieoffenheit von allen Beteiligten.
Es muss nicht immer AKW sein
Man werde längerfristig erhebliche Mengen zusätzlichen Stroms benötigen. Jetzt schon wissen zu wollen, welche Technologien sich zur Bereitstellung dieser Strommengen durchsetzen würden, sei vermessen, erklärt der Oberländer. Schon während der Ansprache steht für die Schweizer Zweigstelle von Greenpeace fest: «Finger [weg] von neuen AKW!»
Ist die Sorge vonseiten der Umweltaktivisten berechtigt – zielt der neue Umweltminister mit seiner «Technologieoffenheit» tatsächlich auf Atomkraft ab? Nicht notwendigerweise, findet GLP-Präsident Jürg Grossen: «Neue Atomkraftwerke können im zukünftigen Stromversorgungssystem kaum wirtschaftlich betrieben werden.»
«Power-to-X» als Ergänzung zum Ausbau der Erneuerbaren?
Der Grünliberale ist überzeugt, dass als Ergänzung zum beschlossenen Ausbau von Wasser-, Wind- und Solarenergie weniger Bandenergie benötigt werde. Als Bandenergie bezeichnet man den Grundbedarf an Strom, der jeden Tag rund um die Uhr verbraucht wird. Grossen verlangt stattdessen eine «gut steuerbare Energiequelle».
«Deswegen bin ich überzeugt, dass Albert Rösti mit ‹anderen Technologien› vor allem auch die ‹Power-to-X›-Technologien meint», so Grossen. Mit diesen Technologien könnten die Stromüberschüsse aus dem Sommer mittels synthetischer Treib- und Brennstoffe für die Winterversorgung lagerbar gemacht werden. Auf diese Weise könnten erneuerbare Energien rückverstromt werden, um eine sichere, zuverlässige und resiliente Schweizer Stromversorgung zu gewährleisten.
Als «Power-to-X» bezeichnet man verschiedene Technologien zur Speicherung von Stromüberschüssen in Zeiten eines Überangebotes. Diese Speicherung ist insbesondere bei erneuerbaren Energiequellen attraktiv: Gerade im Winter ist die Stromerzeugung hier deutlich kleiner, der Verbrauch aber grösser. Aktuell leiden die «Power-to-X»-Technologien noch unter erheblichen Umwandlungsverlusten, doch das Potenzial ist gross.
Grundsätzlich erachtet GLP-Chef Grossen die Prioritätensetzung des Umweltministers allerdings als sinnvoll. Was ihm fehle, seien konkrete Ziele in den Bereichen Digitalisierung und internationale Vernetzung: «Ohne Energieabkommen mit der EU und ohne ein digitales Stromnetz werden wir die Energieversorgung kaum dauerhaft und nachhaltig sicherstellen können.»
Zukunft für Atomkraftwerke in der Schweiz?
Der Bau neuer Atomkraftwerke ist hierzulande seit der Volksabstimmung über die Energiestrategie 2050 vom Mai 2017 ohnehin verunmöglicht. Jüngst hat das Parlament im Rahmen der Debatte zum Energie-Mantelerlass mehrere bürgerliche Anträge abgelehnt, die das Moratorium aufweichen wollten. Überdies fordern auch in der Schweiz Exponenten der Umweltbewegung – namentlich die Grüne Partei – den endgültigen Atomausstieg per 2037.
Gerade mit Blick auf die Energiekrise stösst diese Haltung in Bundesbern und in der gesamten Schweiz jedoch zunehmend auf Unverständnis. Nun wollen bürgerliche Kräfte das Moratorium per Volksentscheid aufheben.
Auch Albert Rösti ist vor seiner Zeit im Bundesrat immer wieder als potenzieller Befürworter der Atomkraft in Erscheinung getreten: Folglich dürfte er mit «offen für alle Technologien» effektiv das meinen, was er gesagt hat.