Hassrede & Gewalt: Bund prüft nach Pandemie neue Regulierungen
Hassrede, Antisemitismus und Gewaltpropaganda im Internet nehmen zu und der Bund will handeln. Wie hoch der Bedarf an Regulierung ist, soll abgeklärt werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Hassrede und insbesondere Antisemitismus im Netz sind zu einem grossen Problem geworden.
- Der Bund möchte dagegen ankämpfen, ist sich aber unsicher, wie und in welchem Masse.
- Das Bundesamt für Kommunikation soll nun mögliche Regulierungsansätze ausarbeiten.
Antisemitismus, Gewaltpropaganda und allgmeine Hassrede haben aufgrund des Coronavirus einen riesigen Aufschwung erlebt. In den vergangenen zwei Jahren sind Tausende antisemitische Vorfälle online registriert worden. Rechtsextreme Gruppierungen wurden an Demonstrationen gegen Corona-Massnahmen wiederholt gesichtet.
SP-Nationalrat Fabian Molina forderte im März hierzu Antworten vom Bund. Der Zürcher wollte unter anderem vom Bundesrat wissen, wie Urheber von antisemitischen Inhalten identifiziert und «zur Rechenschaft» gezogen würden. Die Antwort von Alain Bersets Departement fiel ausführlich aus.
Internet verkompliziert viel
Das Problem der Täterverfolgung im Netz sei, dass die schweizerischen Behörden von Grenzen eingeschränkt würden. Sollte sich strafbare Hassrede auf einem Schweizer Rechner befinden, so könne das Fedpol problemlos eingreifen. Sobald aber der Rechner ausländisch sei, erschwere das die «Strafverfolgung und Rechtsdurchsetzung» erheblich.
Das Fedpol könne etwa Webseiten auf inländischen Rechnern nach Anhörung des Nachrichtendienst des Bundes einfach löschen, wenn diese Gewaltpropaganda verbreiten. Ähnliche Seiten auf ausländischen Rechnern könnten aber nur von den schweizerischen Anbietern gesperrt werden. Für die Identifikation der Urheber müssten Strafverfolgungsbehörden und ausländische Provider zusammen arbeiten.
Auf Youtube habe das Fedpol den Status eines «Trusted Flaggers», schreibt der Bundesrat weiter. So müsse Youtube alle Meldungen von Videos durch das Fedpol prioritär behandeln. Nicht angesprochen hat der Bundesrat das Problem Telegram: Auf der Messaging-App, die sich dank der Kanal-Funktion zu einem sozialen Netzwerk entwickelt hat, blüht extremistisches und antisemitisches Gedankengut auf.
Zuständig für die Regulierung der Inhalte in den Telegram-Kanälen sind die Moderatoren. Oftmals aber lassen diese strafbare Publikationen einfach stehen, auch gemeldete Inhalte werden von der App fast nie gelöscht. Zahlreiche Länder versuchen nun, die App zu mehr Regulierung zu zwingen, wie etwa Deutschland. In Brasilien ordnete der oberste Gerichtshof eine nationale Sperrung der App an, bis sie dessen Forderungen nachkam.
Der Bundesrat will sich jetzt ein Bild über den weiteren Regulierungsbedarf machen. Das Bundesamt für Kommunikation habe einen entsprechenden Auftrag erhalten, heisst es. Die Exekutive werde danach über den Regulierungsbedarf diskutieren und «gegebenenfalls Massnahmen vorschlagen».