Heiratsstrafe: Bundesrat macht Vorschläge zur Abschaffung
Der Bundesrat hat drei Vorschläge zur Abschaffung der Heiratsstrafe vorgelegt. Künftig sollen Ehepartner einzeln besteuert werden. Die Mitte wehrt sich dagegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die «Heiratsstrafe» hat zur Folge, dass verheiratete Schweizer mehr Steuern zahlen.
- Die FDP will darum künftig Ehepartner einzeln besteuern.
- Der Bundesrat hat jetzt dazu drei Vorschläge ausgearbeitet, über die das Parlament berät.
Am Wochenende machte die Schweiz einen grossen Schritt in Richtung mehr Gleichberechtigung: Die «Ehe für alle»-Initiative wurde mit grosser Mehrheit an der Urne angenommen. Direkt im Anschluss soll jetzt auch die sogenannte Heiratsstrafe abgeschafft werden.
Verheiratete zahlen mehr Steuern
Wer heute heiratet, nimmt aufgrund der Progression oft steuerliche Nachteile in Kauf. Eigentlich hatte das Bundesgericht schon 1984 festgestellt, dass es nicht rechtens ist, wenn Ehepaare mehr Steuern zahlen als Konkubinatspaare. Doch passiert ist lange nichts.
Jetzt kommt in Bundesbern aber wieder Bewegung in die Sache: Der Bundesrat hat gestern im Auftrag des Parlaments drei mögliche Modelle zur Individualbesteuerung vorgestellt. Entstanden sind sie auf Druck der Parteien. Denn besonders die FDP und die Mitte haben unterschiedliche Ansichten, wie das Problem der Heiratsstrafe zu lösen sei.
Heiratsstrafe: FDP will Individualbesteuerung
Heute lohnt es sich steuertechnisch für den Ehepartner eines Gutverdieners oft nicht, überhaupt arbeiten zu gehen. Der kleinere Beitrag an das gemeinsame Einkommen wird durch Progression und Sozialversicherungsabgaben fast komplett zunichte gemacht. Mit Unterstützung der SP setzt sich die FDP darum für eine Individualbesteuerung ein. Personen sollen künftig unabhängig ihres Zivilstandes besteuert werden, damit auch für schlechter Verdienende ein Anreiz besteht, arbeiten zu gehen.
Das Problem sieht auch die Mitte, doch sie will an der gemeinsamen Besteuerung festhalten. Das Einkommen der Ehepartner soll aber addiert und dann einfach durch zwei geteilt werden. Der Ansatz nennt sich «Vollspliting» und soll der Familienarbeit mehr Rechnung tragen. Ausserdem müsste das aktuelle Steuersystem dafür nicht komplett umgebaut werden.
Bundesrat macht Vorschläge
Der Bundesrat hat jetzt drei Vorschläge ausgearbeitet, die sich aber alle um die Individualbesteuerung drehen.
1. Reine Individualbesteuerung. Das Einkommen wird unabhängig des Zivilstandes einzeln erfasst. Einverdienerpaare würden so steuertechnisch stärker belastet, als Ehepaare mit zwei Einkommen. Gleichzeitig wird nicht mehr berücksichtigt, wie viele erwachsene Personen von einem Lohn leben.
2. Modifizierte Individualbesteuerung. Hier räumt der Bundesrat im Gegensatz zum ersten Vorschlag Spielraum für Korrekturmassnahmen ein. Paare mit stark verschiedenen Einkommen würden so entlastet, in dem beispielsweise Abzüge für das höhere Einkommen geltend gemacht werden könnten. Auch ein Haushaltsabzug für Alleinlebende wäre denkbar.
3. Individualbesteuerung Ecoplan. Dieses Modell soll besonders Haushalte mit Kindern durch einen Elterntarif entlasten. Für Einverdienerpaare und Alleinstehende sind aber keine Massnahmen vorgesehen. Das Modell würde bei Personen ohne Kinder zu Mehrbelastungen führen.
Individualbesteuerung hat gute Chancen
Die Vorschläge des Bundes werden nun im Parlament verhandelt und die FDP darf hoffen: Mit GLP, SP und Grünen konnte bereits viel Unterstützung für die Individualbesteuerung mobilisiert werden. Bereits 2022 könnte eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage zur Abschaffung der Heiratsstrafe vorliegen.
Die Mitte sieht durch die Vorschläge des Bundesrats indes bestätigt, dass eine Individualbesteuerung viel komplizierter wäre. Ausserdem sei es der falsche Ansatz: «Wir sollten Familienarbeit nicht gegen Erwerbsarbeit ausspielen. Wer wie viel zu welchem Zeitpunkt zum Familieneinkommen beiträgt, spielt keine Rolle», sagte Mitte-Nationalrätin Marianne Binder zum «Tagesanzeiger».