Heiratsstrafe: Die Steuerverwaltung vergisst 370'000 Paare!
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bund hat sich bei der Zahl der von der Heiratsstrafe betroffenen massiv verschätzt.
- Statt 80'000 sind es 454'000. Der Fehler: Paare mit Kindern wurden nicht berücksichtigt.
Die gute alte Heiratsstrafe: Die steuerlichen Nachteile für Zweiverdienerehepaare beschäftigen die Politik seit Jahrzehnten. Und sie sollen beseitigt werden. So weit so gut. Weniger gut: Der Bund machte bei den Berechnungen Fehler, die fast schon absurd anmuten.
Paare mit Kindern? Was es nicht alles gibt
In seiner Botschaft zu den Auswirkungen der Abschaffung der Heiratsstrafe sind die Zahlen dermassen falsch, dass Finanzminister Ueli Maurer eine externe Überprüfung angeordnet. Die Zahl der betroffenen Zweiverdienerehepaare bezifferte die Eidgenössische Steuerverwaltung mit 80'000. Was gleich sechs Mal zu wenig ist, denn: Paare mit Kindern wurden nicht berücksichtigt.
Statt 80'000 sind nach neuster Berechnung jetzt 454'000 Paare betroffen. Und selbst die Zahl der kinderlosen, verheirateten Doppelverdiener hielt einer statistischen Überprüfung nicht stand. Es sind gemäss Referenzjahr 2013 nämlich fast doppelt so viele: 148'000.
Nach der schlechten die gute Nachricht – die keine ist
«Fehler entdeckt und behoben», meldet darum heute der Gesamtbundesrat, der schliesslich die Verantwortung für die im März vorgestellte Gesetzesänderung trägt. Viel ändert dort nichts: Die geschätzten Mindereinnahmen von jährlich 1,15 Milliarden Franken seien weiterhin korrekt.
Was nach einer guten Nachricht klingt, ist eigentlich eine weitere kaum zu glaubende Wendung. Denn bei der Schätzung der finanziellen Auswirkungen seien die Zweiverdienerehepaare mit Kindern berücksichtigt. Von derselben Eidgenössische Steuerverwaltung, die bei obiger Fehlberechnung die Existenz von Kindern «vergessen» hat.
Externe Überprüfung der «Schätzmethoden»
Bundesrat Ueli Maurer will jetzt wissen, warum die gleiche Behörde derart unterschiedliche und erst noch falsche Auffassungen von Steuerpflichtigenkategorien vorkommen. Eine externe Überprüfung soll «Schätzmethoden und das vorhandene statistische Material der ESTV» unter die Lupe nehmen.
Bleibt zu hoffen, dass diese Überprüfung nur herausfindet, warum die «Methode» davon ausging, dass arbeitende Eltern keine Kinder bekommen könnten. Und nicht, dass solche ungewöhnlichen Paare auch noch aus der Steuerpflicht herausrutschten.