Hilft der Katastrophen-Sommer den Klimaschützern?
Die Hitzesommer von 2019 und 2023 boten ein ideales Umfeld für Forderungen nach Klimamassnahmen. Gilt das auch bei anderen Wetter-Extremen?
Das Wichtigste in Kürze
- Unwetter haben in der Schweiz Tote gefordert und Millionenschäden angerichtet.
- Der Klimawandel soll laut Experten dafür mitverantwortlich sein.
- Doch selbst die Klimaschützer zweifeln, ob ihre Forderungen nun mehr Gewicht erhalten.
Rund um die Klimawahl 2019 oder die Abstimmung zum Klimaschutzgesetz 2023 war der Fall klar: Es ist heiss – zu heiss. Der Klimawandel war live erlebbar, was sicher nicht ohne Einfluss auf das Stimm- und Wahlverhalten blieb. Und im 2024?
Dauerregen, Unwetter und Naturkatastrophen, auf den Alpenpässen liegt meterweise Schnee. Dass Frühling und Frühsommer trotz allem noch leicht überdurchschnittlich warm waren, mag man kaum glauben. Nur der Monat Mai war gemäss MeteoSchweiz Durchschnitt.
Dass auch «schlechtes» Wetter eine Folge des Klimawandels sein kann, hat man zwar auch schon gehört. Aber macht die Bevölkerung diese Überlegung? Selbst Klimaforscher Reto Knutti sagt, man könne keinen kausalen Zusammenhang herstellen zwischen Klimawandel und den Erdrutschen.
Nicht wie bei Klimawahl 2019
«Klar darf man nicht jedes Einzelereignis dem Klima zuschreiben», sagt auch Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Er schiesst zwar scharf gegen SVP-Präsident Marcel Dettling. Dieser lobte im Februar die positiven Folgen für die Landwirtschaft durch wärmere Temperaturen. Aber: «Ein Effekt bei der Bevölkerung, wie bei der Klimawahl 2019, dürfte kaum eintreten.»
«Die Sorge um das Klima steht in der Bevölkerung seit Jahren weit oben auf der Liste», wendet Aline Trede ein. Die Fraktionschefin der Grünen glaubt, die wissenschaftlichen Zusammenhänge seien der Bevölkerung schon klar. Schliesslich liste auch das Departement Uvek von Bundesrat Albert Rösti die Folgen des Klimawandels auf: Gletscherschmelze, Wasserknappheit, Hitzewellen, Starkregen, Hochwasser, Murgänge.
Der Verein Klimaschutz Schweiz greift die jüngsten Ereignisse auf, um in der Klimapolitik mehr Tempo zu fordern. Geschäftsleiter Oliver Daepp ist aber auch klar: «Ein Event alleine wird die Sensibilität nicht ändern.» Aber mit zunehmender Intensität und Häufigkeit werde die Bevölkerung die Zusammenhänge stärker verinnerlichen.
Ein zentraler Punkt für Nationalrat Müller-Altermatt: «Es ist einfach auch extremes Wetter – aber die Summe allen Wetters ist ja dann das Klima.» Ein Klima, das je nach Art der Extreme wieder anders ausfällt: «Bei einem Hitzesommer wird viel schneller vermutet, dass das etwas mit dem Klimawandel zu tun haben könnte.»
Keine Instrumentalisierung von Toten
Ein wenig könnten also die Klimaschützer profitieren mit ihren Anliegen – wenn nicht auch die Politik einem Wandel unterworfen wäre. Die klimapolitischen Fronten seien deutlich härter als noch 2019, sagt Oliver Daepp vom Verein Klimaschutz Schweiz: «Ausserdem ist das aktuelle Parlament alles andere als empfänglich, um diese Diskussionen mitzugestalten.»
Mittelfristig werde sich die Verknüpfung zur Klimaerhitzung aber nicht ignorieren lassen, ist Daepp überzeugt. Dies sowohl wegen der menschlichen Tragödien wie auch der immensen Folgekosten. Doch hier geraten die Klimaschützer in ein moralisches Dilemma.
Während Vertreter des Klimastreiks vor Ort im Misox demonstrieren, lehnt Müller-Altermatt solche Aktionen ab. «Es ist vor allem die Instrumentalisierung der Opfer. Das sollte man nicht machen. Es gab ja auch Tote – und mit dem zu argumentieren, finde ich schwierig.»
Das ist auch Aline Trede ein wichtiges Anliegen, noch bevor sie irgendwelche Fragen beantwortet. Sie drückt im Namen der Grünen den von den Katastrophen betroffenen Menschen ihre Solidarität und Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer aus. «Der Bund soll die Kantone und Gemeinden mehr unterstützen bei Massnahmen zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels.»
Genügend andere Beispiele für Klimaschäden
Umgekehrt habe man in seiner Region Dutzende Keller auspumpen müssen, weiss Müller-Altermatt, der auch als Gemeindepräsident von Herbetswil SO amtet. «Die Felder stehen unter Wasser und die Ernteverluste sind eine Tatsache. Positiv ist es also sicher nicht», meint er in Anspielung auf SVP-Präsident Dettling. «Dem, der das gesagt hat, sollte man in dieser Situation schon sagen, dass es Quatsch ist»