Illegale NDB-Praktik soll legalisiert werden – Grünen-Chef tobt
Die Gesetzesverstösse beim Nachrichtendienst sollen keine Strafanzeige zur Folge habe, das Vorgehen soll sogar legal werden. Grünen-Chef Glättli ist empört.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bereich Cyber des Nachrichtendienstes hat jahrelang gegen das Gesetz verstossen.
- Dass diese Praktik nun legalisiert werden, findet Grünen-Chef Glättli unglaublich.
- Als Reaktion auf eine Zunahme von Diebstählen würde das Stehlen auch nicht legalisiert.
Der Bereich Cyber im Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat widerrechtlich gehandelt. Zu diesem Schluss kommt die Administrativuntersuchung des Verteidigungsdepartements (VBS).
Zu einer Strafanzeige soll es jedoch nicht kommen. denn die Mitarbeitenden hätten nicht schuldhaft gegen das Nachrichtendienstgesetz verstossen. Sie hätten lediglich «die Rechtslage verkannt und die fernmelderechtliche Dimension der Datenbeschaffung und -bearbeitung nicht erkannt». Ausserdem hätten die Netzbetreiber die Daten auf Anfrage freiwillig herausgegeben.
Nach der Analyse enthält der Bericht Vorschläge, wie in Zukunft solche Gesetzesverstösse verhindern werden sollen: «Eine erste Alternative könnte darin bestehen, die bisherige Praxis von Cyber NDB zu legalisieren».
Grünen-Präsident: Unwissen schützt Normalbürger auch nicht vor Strafe
Grünen-Präsident Balthasar Glättli reagiert entsetzt auf den Bericht des VBS: «Für Normalbürgerinnen und Normalbürger gilt: Unwissen schützt vor Strafe nicht. Offenbar ist das beim Geheimdienst anders.»
Glättli versteht die Einschätzung des VBS nicht, dass keine Strafanzeige nötig sei. «Ein Gesetzesverstoss bleibt ein Gesetzesverstoss, auch wenn man ihn nur begeht, weil man das Gesetz irrtümlich falsch ausgelegt hat. Das gilt auch für den Geheimdienst!»
«Nun soll als Konsequenz für den Gesetzesvorstoss das Vorgehen legalisiert werden – unglaublich!», sagt Glättli zu Nau.ch. «Wie wenn man als Reaktion auf den Anstieg von Diebstählen oder Raserdelikten einfach den Diebstahl oder die Raserei erlauben würde.»
Das Parlament habe dem Geheimdienst Regeln gegeben, die aus grüner Sicht bereits zu lasch seien. «Daran hat der Geheimdienst sich zu halten», schliesst der Nationalrat ab.
Maya Graf als Präsidentin GPDel
Auch die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments befasste sich seit 2021 mit den Vorkommnissen im Ressort Cyber. Bereits im Januar 2022 erachtete man die Rechtslage als weitgehend geklärt. Die GPDel gehe ebenfalls davon aus, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht respektiert worden seien, erklärt GPdel-Präsidentin und Grünen-Ständerätin Maya Graf.
«Die GPDel wird weiterhin verfolgen, wie das VBS die Empfehlungen der Administrativuntersuchung umsetzt und zukünftig die Cyber-Aufgaben organisiert.» Zentral dabei sei, wie das VBS in Zukunft sicherstelle, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen, erklärt Graf. Die Vorschläge zur Gesetzesanpassung nehme die Delegation zur Kenntnis, äussere sich dazu zum heutigen Zeitpunkt aber nicht.
Den Vorkommnissen im Ressort Cyber werde im Jahresbericht, der Ende Januar erscheint, ein Kapitel gewidmet. Bis zu diesem Zeitpunkt könne sich die GPDel zu ihren eigenen Abklärungen nicht äussern, erklärt Graf.
Die GPDel nehme Kenntnis von den Vorschlägen des Berichts Oberholzer zu Anpassungen des Nachrichtendienstgesetzes. äussert sich zum heutigen Zeitpunkt nicht dazu. Es bleibt der konkrete Revisionsvorschlag von Seiten VBS abzuwarten.