Kommt der neue SVP-Präsident von der B-Liste?
Absagen noch und nöcher: Von den gestandenen SVP-Parlamentariern will fast niemand Parteipräsident Albert Rösti beerben. Wird es jetzt ein Hinterbänkler?
Das Wichtigste in Kürze
- Viele Topfavoriten für die Nachfolge von Albert Rösti als SVP-Präsident haben abgesagt.
- Drei Kandidaten sind noch im Rennen: Martina Bircher, Andreas Glarner und Alfred Heer.
- Sind diese mehr als nur Notlösungen?
Die Konkurrenz hat die Schäfchen sozusagen im Trockenen. Die Grünen haben Balthasar Glättli per Akklamation gewählt, dass Cédric Wermut und Mattea Meyer das SP-Präsidium übernehmen, gilt als sicher.
Die Linken haben «logische» Nachfolger für ihre abtretenden Präsidenten gefunden. Die SVP musste ihre Wahl von Ende März in den August verschieben. Und sie tut sich schwer: Wunschkandidaten, Führungsfiguren, allesamt geben sie der Findungskommission einen Korb. Das Amt zugetraut hätte man ihnen allen.
Die Fähigen
Dass Magdalena Martullo dankend ablehnt, lag auf der Hand: Sie hat schliesslich ein Unternehmen zu leiten. Eine Zusage der Blocher-Tochter hätte aber genau so wenig überrascht. Dem Luzerner IT-Unternehmer Franz Grüter, bestens vernetzt in Fussball, Banken und Wirtschaft, genügt es, SVP-Stabschef zu sein. Für Fraktionspräsident Thomas Aeschi wäre es nichts als konsequent gewesen – schliesslich war er bereits Bundesratskandidat.
Landwirt Marcel Dettling aus Oberiberg SZ hat in Bundesbern zwar keine grossen Stricke zerrissen. Trotzdem galt er als Favorit aufs Präsidium: Begeisterungsfähig, authentisch, jedermanns bester Kumpel – wie weiland Toni Brunner. Aber er will nicht, aus Respekt vor dem Aufwand und aus Rücksicht auf die Familie.
Vorzeige-Unternehmerin Diana Gutjahr sagt ab, ebenso der Kampagnen-gestählte Werner Salzmann. Der staatsmännische, fünfsprachige Fifa-Kritiker Roland Büchel hätte sich als «Übergangspräsidenten» gesehen, gab dann aber der Gesundheit den Vorrang. So blieben noch drei Präsidentschafts-Willige.
Die… eher Unfähigen?
Bei der SVP betont man, man wolle eine Auswahl präsentieren. Tatsächlich waren die letzten drei Präsidenten so konkurrenzlos angetreten wie heuer die linken Amtskollegen. Böse Zungen reden davon, Übervater Christoph Blocher habe das Schicksal von Ueli Maurer, Toni Brunner und Albert Rösti vorbestimmt. Wird jetzt bei der SVP bloss darum ausgewählt, weil sich mangels Kompetenz niemand aufdrängt?
Übrig geblieben sind die Aargauer Martina Bircher und Andreas Glarner, sowie der Zürcher Alfred Heer. Namen, bei denen der eine oder die andere die Nase rümpfen, Mundwinkel hängen lassen oder sonstige Gesichtsgymnastik vollziehen wird. Das sollte man jedoch nur hinter einer Atemschutzmaske tun: Gerechtfertigt ist dies nur bedingt.
Die SVP muss es wissen
Klar, gewisse Punkte sind nicht von der Hand zu weisen. Aber sie sprechen deshalb nicht gegen eine Präsidentin Bircher oder einen Präsidenten Glarner oder Heer.
Ja, Martina Bircher ist noch nicht einmal ein Jahr im Parlament und nur 36 Jahre alt. Ja, Andreas Glarner politisiert am rechten Rand der SVP und provoziert lieber einmal zu viel als zu wenig. Ja, Alfred Heer gilt als altes Schlachtross und kandidiert laut eigenem Bekunden nur, weil sich niemand besseres finden liess. Aber alle drei repräsentieren die SVP – es ist an der Partei zu entscheiden, welchem Profil sie den Vorzug gibt.
Ein SVPler ist ein SVPler
Bircher liegt altersmässig zwischen Mattea Meyer und Cédric Wermuth und hat auf lokaler Ebene bewiesen, dass sie Resultate bringen kann. Als junge Mutter würde sie für den frischen Wind sorgen, der der SVP mit der Absage von Marcel Dettling entgeht. Man erinnere sich: Hoffnungsträgerin und SVP-Vizepräsidentin Jasmin Hutter verschwand 2009 völlig von der politischen Bühne. Das sei konsequente Verwirklichung des SVP-Rollenbildes – denn Hutter wurde Mutter.
Andreas Glarner hat Unternehmen geführt und die Gemeinde Oberwil-Lieli präsidiert. Er kann, was ein Parteipräsident können muss: Für Schlagzeilen sorgen und in der «Arena» bestehen. Dass er am rechten Flügel politisiert, kritisieren wohl nur Aussenstehende: Auch Glättli, Wermuth und Meyer sind linker als der Parteidurchschnitt. Ein SVPler soll die SVP vertreten und das tut Glarner so gut wie Rösti: Ihre Profile sind nämlich praktisch deckungsgleich.
Last but not least: Alfred Heer, der immer mal wieder den Kürzeren zieht, aber zumindest äusserlich die Ruhe selbst ist. Er war Zürcher Kantonalpräsident, kritisiert die eigene Partei, grenzt sich von Blocher ab und sitzt seit einem Jahrzehnt im Europarat. Bei Linken gilt er wegen seiner pointierten Wortwahl trotzdem als «Rechts-aussen-Scharfmacher». Er könnte diesmal gewinnen: Als «Übergangspräsident», der Büchel hätte sein wollen, um in vier Jahren dem Nachwuchs Platz zu machen.