Die Grossmetzgerei «Bell» will Lernenden bis zu 4200 Franken Lohn auszahlen. SVP-Politikerin Diana Gutjahr sieht die Branche unter Druck, aber die Juso jubelt.
Bell Lernende Lohn
Bell stellt unter anderem Fleischprodukte (Bild: Cervelats) her und hat in der Schweiz alleine 21 Standorte. Der CEO will nun die Lehrlingslöhne erhöhen, um den Beruf attraktiver zu machen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bell will die Lehrlingslöhne erhöhen, um die Lehre attraktiver zu machen.
  • Die Juso fordert diese Massnahme schon lange, für alle Unternehmen.
  • Unternehmerin und SVP-Natinalrätin Diana Gutjahr aber warnt vor einem Fehlanreiz.
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Der Fleischproduzent Bell hat ein «katastrophales» Problem: CEO Lorenz Wyss macht sich Sorgen, weil er nur schwer Lernende findet, insbesondere angehende Metzger. Die Lösung hat Wyss aber schon parat.

Er will den Lehrlingslohn hochschrauben, verrät Wyss dem «Tagesanzeiger»: Im ersten Lehrjahr würde demnach eine Person 2000 Franken, im zweiten 3000 Franken und im dritten 4200 Franken verdienen. So würden junge Leute eher motiviert, sagt Wyss. Der höhere Lohn zeuge aber auch von Wertschätzung: «Wir müssen den Jungen sagen: Du bist wertvoll, du bist wichtig, auf dich setzen wir», sagt der Bell-CEO.

SVP-Gutjahr: «Stolz kann nicht monetär abgegolten werden»

Diana Gutjahr findet das gar nicht gut: Die SVP-Nationalrätin führt mit ihrem Mann ein Stahl- und Metallbauunternehmen in Romanshorn TG, das auch Lernende ausbildet. Sie sagt, die Lohnerhöhung setze man Fehlanreize: «In erster Linie muss der gewählt Beruf mit den Fähigkeiten und Interessen übereinstimmen.»

Diana Gutjahr betont zwar, was Bell mache, sei ihr gutes Recht. Aber das Unternehmen müsse bedenken, dass es der Branche unter dem Strich eher schade: «Wer will denn sonst noch bei einer anderen Firma eine Lehre in diesem Bereich machen?», fragt Gutjahr.

Diana Gutjahr SVP
Diana Gutjahr findet, dass Bell Fehlanreize schafft, wenn das Unternehmen die Lehrlingslöhne erhöht: «Der innere Antrieb ist zentral.» - keystone

Ausserdem müsse ein Betrieb zuerst einmal viel Geld und Zeit aufbringen, um jemanden auszubilden; hinzu kämen noch Absenzen wegen der Schule, Ferien und überbetrieblichen Kursen. Im höheren Lohn anderer Angestellte spiegle sich zudem die höhere Verantwortung, die eine Person in Ausbildung nicht übernehmen müsse.

Der «innere Antrieb» sei bei der Berufswahl zentral, sagt die Bildungspolitikerin: «Wem der Beruf oder die Ausbildung nicht gefällt, wird auch nicht erfolgreich abschliessen.» Langfristig würden höhere Löhne also nicht den gewünschten Effekt haben. Vielmehr steigerten Weiterbildungsmöglichkeiten die Attraktivität eines Berufs.

«Gemeinsam etwas erlernen und Gelerntes als Oberstift weitergeben, das macht Stolz, sagt Gutjahr. «Stolz kann nicht monetär abgegolten werden.»

Juso-Präsident lobt «Bell» – zum Teil

Die Juso, die Anfang August einen Mindestlohn für Lernende gefordert hatte, unterstützt das Vorhaben von Bell: «Ich begrüsse es sehr, dass das Unternehmen bessere Löhne bezahlen möchte!», sagt Juso-Präsident Nicola Siegrist. Irritiert habe ihn aber die Aussage, dass ein Teil des Lohnes von einer «Leistungskomponente» abhängig sei. «Die Lehre ist sicherlich nicht geeignet, um ‹leistungsabhängige› Löhne zu bezahlen», so Siegrist.

Nicola Siegrist Juso
Der Präsident der Juso, Nicola Siegrist. - keystone

Der Zürcher Kantonsrat fordert, dass andere Unternehmen «unbedingt» nachziehen sollen. «Es braucht einen Mindestlohn für Lernende, damit sie endlich fairere Löhne erhalten», sagt Siegrist. «In vielen Branchen profitieren die Unternehmen netto mehr von den Lernenden, als dass sie ihnen bezahlen müssen.»

Sollten Lernende mehr Lohn erhalten, um sie für die Berufslehre zu motivieren?

Zur Kritik von Diana Gutjahr sagt Juso-Chef Siegrist: «Intrinsische Motivation in Ehren, aber schlussendlich zählt auch, ob man die Rechnungen bezahlen kann oder nicht.» Ausserdem komme über die Bezahlung die Wertschätzung des Arbeitgebers gegenüber seinen Angestellten rüber. «Selbstverständlich muss aber gleichzeitig auch die Ausbildung punkto Betreuungsverhältnis und Lernzeit verbessert werden, das schliesst sich gegenseitig nicht aus.»

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