Lärmschutz und Wohnungsbau: Das eine soll für das andere weg
Soll der Lärmschutz zugunsten von mehr Wohnraum abgebaut werden? Ja, findet die Raumplanungskommission des Ständerats. Doch andere sind dagegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Ständerat möchte den Lärmschutz lockern, um mehr bauen zu können.
- Das ist für einen Experten unverständlich.
- Der Hauseigentümerverband möchte lieber eine mehrheitsfähige Lösung.
Heute Mittwoch berät der Ständerat über das Umweltschutzgesetz. Dieses umfasst eine breite Auswahl an Themen, wie Abfall, Heizöl oder Lärmschutz. Letzteres dürfte eine spannende Debatte auslösen.
Die Umwelt- und Raumplanungskommission in der kleinen Kammer ist sich in einer Sache besonders uneins. Nämlich, was der Bau neuer Gebäude betrifft, wenn die Lärmschutzgrenzen überschritten werden. Das Ausgangsproblem ist dabei klar: Es herrscht Wohnungsnot, man müsste mehr bauen, aber zuerst muss das Gesetz gelockert werden.
Lüftungsfenster, die keinen Lärm hereinlassen
Der Bundesrat schlägt folgendes vor: Eine Baubewilligung in einer zu lauten Umgebung könnte trotzdem erteilt werden, wenn einige Räume über ein Lüftungsfenster verfügen. Der Bundesrat würde die Anzahl solcher Räume mit Lüftungsfenster festlegen, mindestens die Hälfte sollen es aber sein.
Das Fenster müsste aber auf der nicht lauten Seite des Gebäudes liegen, damit man dieses ungestört öffnen könne. So werde der Lärmschutz eingehalten. Diese Praxis wendet der Kanton Zürich schon länger an, schreibt der «Tagesanzeiger».
Die andere Lösung: Das Bauunternehmen müsste den Mindestschutz gegen Aussen- und Innenlärm verschärfen.
Bei der Mehrheit der Ständeratskommission findet eher die Idee Anklang, «kontrollierte Wohnraumlüftungen» in lärmempfindlichen Räumen zu installieren. Doch auch die bundesrätliche Lösung soll in das Gesetz kommen; möglich wäre für die Ständeratsmitglieder auch, den Anwohnenden einfach einen privat nutzbarer und stiller Aussenraum zu geben.
Zu viel Lärm bei zu vielen Menschen
Diese vorgesehenen Änderungen sind nicht für alle eine gute Lösung. Alain Griffel, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, sagt gegenüber des «Tagesanzeigers»: «Wesentlich mehr Menschen würden übermässigem Lärm ausgesetzt.»
Es würde auch an lauten, eh schon zu dicht besiedelten Orten gebaut, vermutet Griffel. Das gelte es zu verhindern. Ausserdem müsse das Parlament etwas unternehmen, um die Lärmquellen zu vermindern. Der Präsident des Zürcher Städteverbands, Anders Stokholm, hält zum Beispiel Tempo-30-Zonen als effizienteste Massnahme dafür.
Die linke Minderheit in der Kommission setzte sich lediglich dafür ein, den Vorschlag des Bundesrats beizubehalten. Ruhige Aussenräume sollen nur als allerletzte Lösung zum Zug kommen.
Der Hauseigentümerverband hofft auf eine schnelle Lösung: Befürchtet aber, dass die aktuelle Vorlage nicht mehrheitsfähig sei. Privates Interesse werde höher gewichtet als der Schutz der Anwohnenden, heisst es. Und so könne es zur Blockade kommen, die schnelles Bauen verhindere.