Lex Netflix: Jungfreisinnige kontern Bundesrat Berset

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Der Abstimmungskampf ist lanciert: Kulturminister Alain Berset wirbt für das neue Filmgesetz a.k.a. «Lex Netflix», doch die Jungparteien halten dagegen.

Matthias Müller SDS
Matthias Müller ist der Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz und FDP-Nationalratskandidat im Kanton Zürich. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Gegen die «Lex Netflix» haben die Jungparteien das Referendum ergriffen.
  • Bundesrat Alain Berset hat den Abstimmungskampf eröffnet.
  • Jungfreisinnigen-Präsident Matthias Müller widerspricht seinen Argumenten Punkt für Punkt.

Mit der Änderung des Filmgesetzes, der sogenannten «Lex Netflix», sollen Streaming-Plattformen strenge Regeln auferlegt werden. So wären sie verpflichtet, jährlich vier Prozent ihrer Schweizer Einnahmen in das Schweizer Filmschaffen zu investieren. Auch müssten 30 Prozent des Angebots aus europäischem Filmschaffen bestehen.

Dagegen haben die Jungfreisinnigen, die Junge SVP und die Jungen Grünliberalen das Referendum ergriffen. Sie befürchten negative Auswirkungen für Filmfans und Serien-Junkies in der Schweiz. Kulturminister Alain Berset hat heute den Abstimmungskampf eröffnet und sich dezidiert für ein Ja zur «Lex Netflix» eingesetzt. Für Nau.ch reagiert Jungfreisinnigen-Präsident Matthias Müller auf Bersets Argumente.

Lex Netflix
Streamingdienste wie Netflix sollen mit dem Filmgesetz «Lex Netflix» in das Schweizer Filmschaffen investieren müssen. - AFP/Archiv

Nau.ch: Einheimische Kultur zu fördern, in diesem Falle die Filmkultur, was soll daran schlecht sein?

Matthias Müller: Wir haben nichts gegen das Schweizer Filmschaffen. Dieses wird heute schon jährlich mit über 100 Millionen Franken subventioniert – aus unseren Steuergeldern und den Serafe-Gebühren. Mit dem Filmgesetz sollen wir Konsumentinnen und Konsumenten nun ein drittes Mal zur Kasse gebeten werden und den Schweizer Filmschaffenden jährlich 20 Millionen Franken abliefern. Das geht zu weit!

Nau.ch: Der Bundesrat verweist darauf, dass die EU ebenfalls die 30-Prozent-Regel habe und gut damit fahre. Es gebe wohl in der Schweiz auch keine Erhöhung der Preise für die Streaming-Abos. Was macht Ihnen denn am meisten Sorge?

Matthias Müller: Die EU-Filmquote von 30 Prozent ist für Länder in der EU verpflichtend, für die Schweiz aber nicht. Trotzdem soll sie jetzt telquel übernommen werden. Netflix und Co. müssten neu mindestens 30 Prozent europäische Werke im Angebot haben.

Referendum Lex Netflix
Mitglieder der Jungfreisinnigen, der Jungen SVP und der Jungen Grünliberalen reichen mit 65’000 Unterschriften das Referendum gegen das neue Filmgesetz «Lex Netflix» ein, am 20. Januar 2022, in Bern. - Keystone

Damit fallen beliebte ausländische Serien und Filme zum Beispiel aus den USA und Lateinamerika für immer aus den Filmkatalogen. Im Übrigen hätten diese europäischen Werke keinerlei Vorgaben betreffend Inhalt, Qualität oder Nachfrage zu erfüllen. Wir kriegen mit dieser staatlich verordneten Filmquote also Filme vor die Augen gesetzt, die wir nicht schauen wollen. Das ist ungerecht!

Nau.ch: Die amerikanischen Serien treffen halt den Geschmack, sagt das Referendumskomitee. Ist das so, oder ergibt sich das allein schon darum, weil die amerikanischen Produzenten auch das Geld und die Kanäle haben, ihre Werke zu pushen?

Matthias Müller: Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik sind eindeutig: Die Nutzer von Netflix und Co. wollen hauptsächlich US-Serien und Filme schauen. Sie bezahlen ja schliesslich für diese Abonnements.

«The Mandalorian»
«The Mandalorian» ist eine «Star Wars»-Serie auf Disney+. Sie dreht sich um die Abenteuer eines Kopfgeldjägers. - Disney

Im Übrigen zeigen die gleichen Zahlen, dass das Angebot von Schweizer Filmen auf Abo-Diensten wie Netflix zehnmal so gross ist wie die Nutzung. Mit anderen Worten: Kein Mensch schaut Schweizer Filme auf diesen Streaming-Plattformen.

Daran stören sich die Befürworter des Filmgesetzes. Mit der Filmquote wollen sie, wie sie selber erklärt haben, gegen den «US-Einheitsbrei» ankämpfen, den wir Konsumenten freilich so lieben.

lex netflix alain berset
Bundesrat Alain Berset, rechts, spricht an der Seite von Carine Bachmann, Direktorin des Bundesamtes für Kultur (BAK), links, während der Medienkonferenz zur Lex Netflix, am 8. März 2022, in Bern. - Keystone

Nau.ch: Bundesrat Alain Berset argumentiert mit Erfolgsserien wie «Haus des Geldes» aus Spanien oder «Lupin» aus Frankreich. Diese hätte es ohne solche Vorschriften nicht gegeben.

Matthias Müller: Es wäre vermessen, Frankreich und Spanien – beides grosse Filmnationen – mit der kleinen Schweiz vergleichen zu wollen. Zudem gibt es viele europäische Länder, die gute Filme produzieren und keinerlei Filmsteuer kennen. Schliesslich wird der Schweizer Film bereits heute pro Jahr mit über 100 Millionen Franken subventioniert – das sollte bei weitem reichen, um gute Filme zu produzieren.

Nau.ch: Das Filmgesetz bringt Investitionen in die Schweiz, Arbeitsplätze werden geschaffen, die lokale Wirtschaft erhält Aufträge. Ist das nicht im Sinne der Jungfreisinnigen?

Matthias Müller: Das Gegenteil ist wahr: Mit dem neuen Filmgesetz würde der Standort Schweiz verteuert und die Kosten der Anbieter würden auf die Kunden abgewälzt.

Die Verpflichtung der Anbieter, 30 Prozent ihres Filmkatalogs mit europäischen Werken zu besetzen, würde zu mehr Bürokratie führen und ist nicht zielführend. Deshalb ist unter anderem der Schweizerische Gewerbeverband Teil des Referendumskomitees. Denn die KMU-Wirtschaft würde mit diesem Gesetz unter die Räder kommen.

Befürworten Sie das neue Filmgesetz, die sogenannte «Lex Netflix»?

Nau.ch: Es fällt natürlich auf, dass insbesondere Jungpolitiker hinter dem Referendum stehen. Also die Bevölkerungsgruppe, die eher weniger Geld hat, eher Spektakel mag und eher neuen Trends folgt. Wie überzeugen Sie die Fans von Kochsendungen mit B-Promis, Papa-Moll-Filmen oder Beziehungsdramen ohne Verfolgungsjagd?

Matthias Müller: Das wird eine Herausforderung, die wir aber meistern werden – davon bin ich überzeugt. Unser Komitee wird immer breiter. Unterstützt werden wir unter anderem vom Konsumentenforum kf, vom Verband Schweizerischer Privatfernsehen, von Digital-Unternehmen, dem Gewerbeverband und politischen Organisationen. Gemeinsam wird es uns gelingen, die Bevölkerung von einem Nein zu überzeugen, denn dieses Filmgesetz ist missraten.

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