Martin Bäumle (GLP) zu Perspektiven der Ukraine-Konferenz in Davos
Bei der 4. Konferenz zur «Friedensformel», die im Vorfeld des WEF in Davos stattfindet, hinterfragt GLP-Nationalrat Martin Bäumle die Rolle der Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Vorfeld des WEF 2024 findet eine Ukraine-Konferenz zur «Friedensformel» statt.
- Aussenminister Ignazio Cassis setzt grosse Hoffnungen in die Veranstaltung in Davos.
- Ukraine-Kenner Martin Bäumle (GLP) ist aber skeptisch bezüglich der Rolle der Schweiz.
Kopenhagen, Dschidda, Malta – und jetzt Davos: Das sind die Stationen der vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj lancierten «Friedensformel». Nachdem am Sonntag in Davos wieder Dutzende Länder diskutiert haben, will Aussenminister Ignazio Cassis höchstselbst orientieren, wie es gelaufen ist.
Einen Tag vor dem Start des WEF 2024 steckt er sich dabei hohe Ziele: «Abschluss der Gespräche auf Stufe der Nationalen Sicherheitsberater über Grundsätze für einen dauerhaften und gerechten Frieden in der Ukraine.» Aber was könnten die Fortschritte und weiteren Ziele überhaupt sein? Ukraine-Kenner und GLP-Nationalrat Martin Bäumle sieht zwar Möglichkeiten, aber bleibt sehr kritisch.
Schleierhafte Rolle der Schweiz
Insofern sich denn die Hoffnungen des Bundesrats bewahrheiten und am Schluss der Gespräche unter Dutzenden Ländern konkret etwas vorliegt: «Was ist die Rolle der Schweiz?», fragt sich Bäumle. «Sollen wir die Ergebnisse dieser Gespräche in den Sicherheitsrat tragen? Das ergäbe immerhin Sinn, denn die Ukraine ist nicht im Sicherheitsrat und die Schweiz könnte so dort mit den USA, Russland, aber auch China in Dialog treten.»
Eine Art verkürzte Pendel-Diplomatie also, bei der Martin Bäumle allerdings grosse Vorbehalte hat. «Nur macht Bundesrat Cassis ja wohl noch eine Medienkonferenz dazu. Dort wird entscheidend sein, was und wie kommuniziert wird, damit die Konferenz ein Erfolg werden könnte, denn Russland wird wohl zuhören.»
Verfahrene Situation
Denn bei den Gesprächen über die Friedensformel ist Russland nicht dabei, offiziell auch nicht am WEF 2024. Zudem lese er von Wolodymyr Selenskyj – der wohl erst später in Davos eintreffen wird und die Verhandlungen wie schon bei früheren Friedensformel-Gesprächen seinem Assistenten Andrij Jermak überlässt – immer nur, dass er keine Verhandlungen mit Russland wolle, bemerkt Bäumle.
So oder so: «Der Zeitpunkt für die Ukraine, aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln, ist aus meiner Sicht leider schon länger vorbei.» Bäumle spielt darauf an, dass die ukrainische Gegenoffensive nach anfänglichen Erfolgen ins Stocken geraten ist. «‹Beruhigend› ist einzig, dass Russland militärisch auch nicht weiterkommt.»
Wenn schon müsse man beiden Seiten darum eines klarmachen: «Es macht kaum mehr Sinn, weiter in einem Stellungskrieg Menschen zu opfern, vergleichbar dem Ersten Weltkrieg. So wären Verhandlungen in Gang zu bringen, doch dazu müssten aber beide Seiten eine gewisse Ergebnisoffenheit signalisieren, was aktuell sehr schwierig scheint.»
Doch noch ein Silberstreif am Horizont?
Auch wenn es derzeit eher den Anschein macht, als ob sich Aussenminister Ignazio Cassis primär auf der Weltbühne profilieren wolle – und damit zu scheitern droht: Perspektiven sieht Martin Bäumle, dessen Frau aus der Ukraine stammt, trotz allem.
«Ich hoffe, dass von unserer Delegation Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden.» Denn das könnte immerhin zielführend sein. «Wenn viele Länder sagen, doch, da hat es wichtige Punkte darunter: Dann kommen wir weiter.» Bäumle schränkt indessen auch gleich wieder ein: «Aber dazu braucht es die USA, China und Russland.»
Für Bundesrat Cassis, der auch immer wieder die Ukraine-Wiederaufbau-Konferenz in Lugano als Erfolg verkauft, sieht Martin Bäumle zwei Varianten. Entweder sind Ignazio Cassis und sein Team auch abseits der Konferenzen noch aktiv: «Es laufen Hintergrundgespräche, zum Beispiel im Sicherheitsrat, von denen wir noch nichts wissen und die erfolgversprechend sein können.»
Oder dann eben nicht. Lies: «Die Fronten werden noch weiter verhärtet.»