Mitte bringt Notrecht für Sanktionen gegen Russland ins Spiel
Politiker fordern vom Bundesrat härtere Sanktionen gegen Russland. Dies könnte die Regierung über Notrecht beschliessen, so Schneider-Schneiter (Die Mitte).
Das Wichtigste in Kürze
- Sämtliche Parteien ausser der SVP fordern vom Bundesrat mehr Härte gegenüber Russland.
- Darunter sind auch Forderungen nach eigenständigen Sanktionen der Schweiz.
- Diese wären gemäss Embargogesetz nicht möglich – über das Notrecht allerdings schon.
Spätestens seit die Gräueltaten der russischen Armee in der ukrainischen Stadt Butscha ans Licht kamen, sollte der Bundesrat Russland härter anpacken: So lassen sich die Forderungen der grossen Parteien – mit Ausnahme der SVP – zusammenfassen.
Doch darüber, wie dies genau aussehen soll, äussern die Partei-Vorstehenden verschiedene Ansichten. Mattea Meyer (SP) fordert, die bereits beschlossenen Sanktionen sollen rigoros durchgesetzt werden.
Jürg Grossen (GLP) pflichtet ihr bei, will aber zusätzlich ein europäisches Öl- und Gas-Embargo. Und nach Thierry Burkart (FDP) müsste der Westen die Sanktionen verstärken, mit Beteiligung der Schweiz.
Der Mitte will den Bundesrat allerdings in einer aktiveren Position sehen. Dessen Parteipräsident Gerhard Pfister schrieb auf Twitter: «Wir erwarten, dass der Bundesrat weitere eigenständige Sanktionen gegen Russland ergreift.»
Doch bisher hat sich der Bundesrat bei den Sanktionen auf das «Embargogesetz» gestützt. Dieses sei ein Nachvollzugsgesetz, wie es Staatssekretärin Livia Leu an einer Medienkonferenz erklärte. Dieses erlaube es der Schweiz also nicht, eigene Sanktionen zu verhängen.
Schneider-Schneiter sieht bei Notrecht eine Lösung
Doch Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sieht für den Bundesrat durchaus noch Spielraum: «Es stimmt, das Embargogesetz sieht keine eigenen Sanktionen vor. Sollte die Schweiz zum Schluss kommen, dass es solche in dieser Situation braucht, dann könnten diese über Notrecht beschlossen werden.»
Sie erwarte aber vom Bundesrat zunächst, «dass alles unternommen wird, dass die bestehenden Sanktionen konsequent umgesetzt werden. Gleichzeitig soll die Schweiz die weiteren EU-Sanktionen übernehmen, falls solche beschlossen werden.» Sanktionen seien nur wirksam, wenn sie international abgestimmt sind, so das Mitglied der Aussenpolitischen Kommission.
Expertin argumentiert mit Artikel aus Verfassung
Auch Anna Petrig, Professorin für Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität Basel, bestätigt, der Bundesrat könne Sanktionen «im Alleingang» beschliessen. Die Bundesverfassung (Art. 184 Abs. 3) ermächtige ihn, zur Wahrung der aussenpolitischen Interessen der Schweiz befristete Verordnungen zu erlassen.
Konkret könne die Schweizer Regierung theoretisch Zwangsmassnahmen im Bereich des Rohstoffhandels verabschieden. Da rund 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz erfolge, sei dies ein beachtlicher Hebel gegen den Kreml.
Am Dienstag beschäftigte sich die aussenpolitische Kommission des Nationalrats APK-N mit dieser Möglichkeit. Mit 13 zu 12 Stimmen lehnte es die Kommission ab, den physischen Handel und den Transithandel mit Gas, Erdöl und Kohle mit russischen Verbindungen zu verbieten. Der Handelsstopp sollte gemäss Motion sofort und bis zum Ende des Krieges in der Ukraine gelten.
Am heutigen Mittwoch tauschte sich auch der Bundesrat zum Ukraine-Krieg aus. Handlungsbedarf hat er allerdings offensichtlich keinen festgestellt, denn bezüglich Sanktionen bleibt alles beim Alten.