Nationalrat verlängert CO2-Reduktionsziele bis Ende 2024
Das vom Volk abgelehnte CO2-Gesetz läuft Ende 2021 aus. Der Nationalrat hat deshalb Übergangslösungen bis Ende 2024 verabschiedet.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit Ausnahme der SVP nahm der Nationalrat eine Übergangslösung der CO2-Reduktionsziele an.
- Das CO2-Gesetz war vom Volk bachab geschickt worden.
Der Nationalrat hat im Sinne einer Übergangslösung eine Verlängerung der CO2-Reduktionsziele bis Ende 2024 beschlossen. Nach dem Nein des Stimmvolks zum neuen CO2-Gesetz laufen die Verminderungsziele Ende 2021 aus. Ab 2022 wären diese somit weggefallen.
Der Nationalrat hat das Bundesgesetz über die Reduktion von CO2-Emissionen am Mittwoch mit 143 zu 53 Stimmen angenommen.
Einzig die SVP stimmte geschlossen dagegen, weil ihr Antrag für einen tieferen Kompensationsaufschlag auf Treibstoffe nicht angenommen wurde. Die Vorlage geht an den Ständerat.
Auslaufende Regelungen brauchen Übergangslösung
Nach dem Nein der Stimmbevölkerung zum neuen CO2-Gesetz im Juni sollen diejenigen Massnahmen im geltenden CO2-Gesetz verlängert werden, die unbestritten sind und bald auslaufen. Das geltende CO2-Gesetz von 2011 läuft zwar weiter, allerdings sind einige Massnahmen zeitlich befristet.
So wären ohne eine Übergangslösung bereits ab 2022 keine Verminderungsverpflichtungen mehr möglich. Mit dieser Regelung können Unternehmen bestimmter Branchen die CO2-Abgabe zurückerstattet erhalten, wenn sie sich verpflichten, ihre Emissionen zu reduzieren.
Auch die Kompensationspflicht für Importeure von Benzin und Diesel würde Ende Jahr ohne eine solche Verlängerung auslaufen. Die Treibstoffimporteure sollen als Kompensation weiterhin in Klimaschutzprojekte investieren.
Der Nationalrat sprach sich für die Fortführung des Status quo aus und wies sämtliche zusätzliche Begehren ab, die entweder eine Verschärfung oder eine Entschärfung der Vorlage verlangten. «Schaffen wir eine schlanke und mehrheitsfähige Übergangsvorlage», brachte es Stefan Müller-Altermatt (Mitte/SO) auf den Punkt.
Kernstück ist Artikel 3, der die Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2024 um jährlich weitere 1,5 Prozent fortschreibt. Mindestens 75 Prozent davon muss gemäss einem von der vorberatenden Kommission eingebauten Passus mit Massnahmen im Inland kompensiert werden. Der Nationalrat hiess dies mit 115 zu 78 Stimmen bei 3 Enthaltungen gut.
Lange Debatte im Parlament
Darüber hinaus erhält der Bundesrat jedoch keine freie Hand, allenfalls schon früher ein Klimaschutzpaket zu unterbreiten, falls das Ziel 2021 bis 2024 nicht erreicht wird. Verlangt hatte dies die SP.
Eintreten auf die Übergangslösung nach dem Volks-Nein war im Nationalrat unbestritten, trotzdem ergab sich eine ausgedehnte Debatte. Diese drehte sich insbesondere um die Gefahr eines erneuten Referendums, falls von der Ratslinken «Verschärfungen durchgemogelt werden», wie sich Christian Imark (SVP/SO) ausdrückte.
Man dürfe die politische Ausgangslage nicht ignorieren, das Gesetz müsse allenfalls eine Referendumsabstimmung überstehen, betonte auch Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG). Die grosse Mehrheit sah das gleich. Die Ratslinke betreibe eine «miserable Salamitaktik» und missachte den Volkswillen, beklagte Pierre-André Page (SVP/FR).
Vor allem die Grünen wollten Punkte eingefügt sehen, die in der Kampagne zum abgelehnten CO2-Gesetz unbestritten gewesen seien. Die vorliegende Notlösung sei angesichts des fortschreitenden Klimawandels «zaghaft und völlig ungenügend», wie Delphine Klopfenstein Broggini (Grüne/GE) sagte. Die Grünen wollten deshalb namentlich den Abgabesatz pro Tonne CO2 auf maximal 145 statt 120 Franken festlegen.
Auch den Einbau von Lenkungsabgaben für Privatflüge und den Einsatz von der Hälfte dieser Gelder für Investitionen in Nacht- und Hochgeschwindigkeitszüge lehnte der Rat mit 128 zu 68 Stimmen ab.
Kein Ersatz
Die Übergangslösung sei kein Ersatz für ein griffiges CO2-Gesetz, sagte Martina Munz (SP/SH). Denn eigentlich müsse das lineare Reduktionsziel verdoppelt, wenn nicht gar verdreifacht werden, um die Pariser Klimaziele zu erfüllen. Die SP unterstütze aber aus realpolitischen Gründen die vorläufige Fortschreibung des geltenden Reduktionsziels von 1,5 Grad bis 2024.
Die SVP scheiterte mit ihrem Antrag, den zulässigen Kompensationsaufschlag auf Treibstoffe auf maximal 1,5 Rappen zu beschränken. Derzeit liegt er bei höchstens 5 Rappen, wird aber bei weitem nicht erreicht. Das Stimmvolk habe das CO2-Gesetz insbesondere wegen der darin enthaltenden Preiserhöhungen beim Benzin und Heizöl abgelehnt, sagte Albert Rösti (SVP/BE).
Das sei «einfach nur Stimmungsmache», kommentierte Mitte-Sprecher Müller-Altermatt (SO). Der Aufschlag beim Benzinpreis erfolge nicht automatisch, schaffe aber den auch von der Branche selber gewünschten Spielraum. Mutmasslich werde keine Erhöhung des Benzinpreises resultieren, ergänzte Kommissionssprecher Martin Bäumle (GLP/ZH).
Umweltministerin Simonetta Sommaruga erinnerte daran, das Stimmvolk habe im Juni nicht das geltende, sondern das neue CO2-Gesetz abgelehnt. Sonst würden Unternehmen ab 2022 abgabepflichtig. Das seien dann immerhin rund 200 Millionen Franken zu Lasten der Wirtschaft.
Sommaruga hält Referendum für unklug
Deshalb wäre es laut Sommaruga auch unklug, das Referendum gegen die Übergangslösung zu ergreifen. Bei der Übergangslösung müsse man sich am Machbaren orientieren, «auch wenn mehr sicher wünschenswert wäre», sagte Sommaruga weiter.
Im Übrigen wies sie auf die vom Bundesrat bereits festgelegten Eckwerte für ein neues umfassendes CO2-Gesetz hin. Darin hält der Bundesrat am Halbierungsziel bis 2030 und an Netto-Null bis 2050 fest. Eine Vernehmlassungsvorlage soll bis Ende Jahr vorliegen.
Sommaruga versprach weiter, dass man in diesem Zusammenhang die Bereiche Klima und Energie gemeinsam «ganz intensiv auf dem Radar» haben werde. Es brauche künftig neben der CO2-Reduktion massiv mehr Binnenstrom. «Alle müssen sich bewegen.»