Parteiprogramm zeigt, dass es die SVP braucht
Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP präsentiert ihr neues Parteiprogramm – ohne viel Neues.
- Viele Forderungen in Parteiprogrammen sind völlig utopisch.
- Das ist gut so, schreibt Matthias Bärlocher in seinem Kommentar.
Das diese Woche vorgestellte SVP-Parteiprogramm bietet allerlei Ansatzpunkte für absehbare Kritik. Alle vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge zurückschaffen? Wenn das ginge, wären sie ja eben gerade nicht vorläufig aufgenommen. Weniger Kontrollen und Vorschriften für Landwirte, Autofahrer oder Bauherren: Das Leben wäre tatsächlich einfacher. Wenn alle immer schön brav wären.
In bester Gesellschaft
Machen es denn die anderen besser? Auch die SP fordert Dinge, die den geneigten Kopfrechner stutzig machen: 35-Stunden-Woche bei gleich viel Lohn. Die FDP träumt von einer Wirtschaft, «die ihre Freiheiten verantwortungsbewusst und nachhaltig nutzt und damit staatliche Regulierung vermeidet.» Abzocker-Manager existieren in dieser Vision nicht.
Das Kultur-Positionspapier der Grünen fordert mehr Strassenkunst, das Verkehrspositionspapier dagegen ein Strassenbauverbot. Auch die SVP kann grün tun: Sie will umweltfreundliche Energie, lobt die schöne Natur, sauberen Gewässer und wundervollen Landschaften. Abwassergebühren, Umweltgesetze sowie Wolf und Bär sind ihr trotzdem ein Dorn im Auge.
…und das ist gut so
Trotzdem muss man sagen: Gut gibt es die SVP – und gut gibt es alle anderen Parteien, die sich reihum den Spiegel vorhalten. Ohne die ständigen Klagen der SVP über das Asylwesen hätten wir vielleicht heute kein 48-Stunden-Verfahren. Ohne die jahrzehntelangen Forderungen der SP hätten wir vielleicht immer noch eine 48-Stunden-Arbeitswoche.
Ohne die Spassbremsen bei den Grünen wäre die Schweiz zugeteert(er), ohne die wirtschaftsgläubige FDP die Schweiz in kafkaesker Bürokratie versunken. Die Forderungen in Parteiprogrammen mögen absurd und unumsetzbar sein – aber sie zwingen die Gegner zum Argumentieren und geben Anstoss zu Verbesserungen dort, wo einige der Schuh drückt.
Oder Sie erweisen sich überraschend als tatsächlich realistisch. Oder wer hätte 1918 gedacht, dass Schweizer Frauen abstimmen und gar Bundesrätin werden können – ohne dass ihre Köpfe deswegen überhitzen und zu explodieren drohten.