Röstis Bafu will keine Grenzwerte für vier Giftstoffe
Für 11 Pestizide sollte das Bafu verschärfte Grenzwerte festlegen. Neu sind es noch 7 – weil die Bauern interveniert haben sollen.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Bafu sollte für 11 Pestizide strengere Grenzwerte festlegen.
- Bei 4 Giftstoffen, darunter ein PFAS, krebst es nun zurück – auf Druck der Bauern.
- Der WWF warnt vor Schäden in Schutzgebieten und für die Fortpflanzungsfähigkeit.
Die Gewässerschutzverordnung schützt Trinkwasser und Wasserlebewesen vor Pestiziden und deren Rückständen. Für 11 der problematischen Wirkstoffe sollen neue Grenzwerte festgelegt werden, statt wie bisher einfach pauschal 0,1 g/l. Denn einerseits genügen teilweise schon winzige Mengen, um Schaden anzurichten. Andererseits können heute solche geringe Mengen im Labor – anders als früher – auch nachgewiesen werden.
Soweit so gut. Nur kommt das Bundesamt für Umwelt, angesiedelt im Uvek von Bundesrat Albert Rösti, nun zum Schluss: Bei vier dieser Stoffe will man doch nicht neue Grenzwerte haben.

Weil das sonst heissen könnte, dass Bauern diese Pestizide nicht mehr verwenden dürften. Dies zeigen Recherchen der «SRF Rundschau».
PFAS: Gefahr für menschliches Hormonsystem
Für den WWF Schweiz ist klar: Keine Grenzwerte zu setzen ist nicht nur für Schutzgebiete fatal, sondern auch für die menschliche Gesundheit. Bei einem der vier Stoffe handle es sich um den Unkrautvertilger Flufenacet. Dieser ist zwar nicht sehr lange in der Umwelt nachweisbar.

Sein Abbauprodukt, Trifluoracetat (TFA), aber schon: Es handelt sich um eine der sogenannten Ewigkeitschemikalien oder PFAS. Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass das Bafu in allen über 500 Grundwasserproben TFA nachweisen konnte.
Flufenacet schädigt nicht nur Wasserorganismen, es ist auch schädlich für das menschliche Hormonsystem. Das heisst, es kann Tumore verursachen oder etwa die Spermienzahl und -qualität beeinträchtigen. Weil sich das Abbauprodukt TFA sehr lange nicht weiter abbaut, reichert es sich im Boden und im Grundwasser an.
Vorgeschlagener Grenzwert tausendfach überschritten
Zwei der weiteren aus der Revisionsliste gestrichenen Wirkstoffe sind starke Nervengifte. Sie töten Insekten nur schon bei Kontakt. Bei beiden hat das vom Bund gegründete Oekotoxzentrum neue Grenzwerte vorgeschlagen.

Beide Stoffe liessen sich in fünf von sechs der untersuchten Biotope von nationaler Bedeutung nachweisen, teilt der WWF Schweiz mit. Und zwar in vergleichsweise hohen Konzentrationen. Der eine Wirkstoff, Lambda-cyhalothrin, überschritt den vom Oekotoxzentrum vorgeschlagenen Grenzwert um das 18fache.
Der andere, Deltamethrin, gar um das 1180fache. WWF-Sprecher Jonas Schmid hält fest: Durch den Eintrag von Pestiziden wird die Biodiversität geschädigt, die sich eigentlich genau in solchen Schutzgebieten gut entwickeln sollte.
Bauern wollen keine Grenzwerte
Einen solchen Grenzwert lehnten die Bauern gerade bei Deltamethrin aber ab. Dies sagt David Brugger, Leiter Pflanzenschutz beim Schweizer Bauernverband, gegenüber der «SRF Rundschau».
Deltamethrin sei noch der letzte verbliebene Wirkstoff aus dieser Gruppe von Pestiziden. «Wenn dieser Wirkstoff wegfällt, haben wir dort keinen Schutz mehr. Wir stehen dann eigentlich vor dem Nichts.»
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Zur Forderung nach einem Grenzwert bei der Ewigkeitschemikalie TFA sagte Bauernverbandspräsident und Neo-Bundesratskandidat Markus Ritter im Dezember zu Nau.ch: «Es braucht zuerst wissenschaftliche Grundlagen, bevor man Entscheide fällen kann, in welche Richtung es gehen soll.»
Man wisse im Moment noch sehr wenig über TFA: Es gebe keine Grenzwerte, wisse nicht, woher es komme. Sowohl Behörden wie Fachstellen tappten noch im Dunkeln.
Solches lässt WWF-Sprecher Jonas Schmid nicht gelten. David Brugger sage es ja selbst: «Deltamethrin gehört zu einer Wirkstoffgruppe, aus der bereits viele Stoffe verboten wurden.» Das sei zu Recht so, da es sich um hochgiftige Stoffe handle.