Pfas im Trinkwasser: Grüne fordern Grenzwert, Bauern-Chef winkt ab
In sämtlichen Grundwasserproben konnte die «Ewigkeitschemikalie» TFA nachgewiesen werden. Nun soll der Bundesrat aktiv werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die «Ewigkeitschemikalie» TFA kann in der Schweiz flächendeckend nachgewiesen werden.
- TFA stammt wohl aus der Landwirtschaft – nun fordern die Grünen Grenzwerte und Massnahmen.
- Beim Bauernverband will man aber zuerst genauere Angaben haben.
An über 500 Stellen hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) das Grundwasser nach Trifluoressigsäure (TFA) untersucht. Die Substanz gehört zu den Pfas, den «Ewigkeitschemikalien».
In sämtlichen Proben konnte TFA nachgewiesen werden: Die Konzentrationen liegen etwa hundert- bis tausendfach höher als die Konzentrationen der übrigen Pfas, die bisher im Grundwasser nachgewiesen wurden.
Grüne wollen Antworten vom Bundesrat
Das sei Grund zur Sorge, sagt Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter: «Das muss uns alle sehr, sehr beschäftigen.» Gerade, weil TFA eine «Ewigkeitschemikalie» ist: Sie baut sich nicht ab, betont Schlatter.
«Sie akkumuliert sich eben auch in den Tieren, die das Gras auf diesen Böden fressen und auch in unserem Körper.»
Die Grüne Fraktion im Bundeshaus hat sofort reagiert: Vorstösse seien geplant, verschiedene Fragen an den Bundesrat wurden eingereicht.
Wie kontrolliert man nicht nur das Grundwasser, sondern auch die Lebensmittel? Was tut der Bundesrat, um die Wasserqualität zu erhalten?
TFA im Grundwasser: Bauernpräsident relativiert
Aktuell keinen Grund zur Sorge sieht dagegen Bauernverbandspräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter. «Wir wissen im Moment sehr wenig über TFA: Es gibt keine Grenzwerte, man weiss nicht, woher es kommt, weiss nicht, was der Verursacher ist.»
Es brauche zuerst wissenschaftliche Grundlagen, bevor man Entscheide fällen könne.
«In welche Richtung das gehen soll, da tappt man noch im Dunkeln, sowohl die Behörden wie die Fachstellen», so Ritter.
Das Bafu weist hingegen darauf hin, dass sich die Konzentration von TFA je nach Standort deutlich unterscheide. Insbesondere in Gebieten mit viel Ackerland sei eine hohe Konzentration nachgewiesen worden.
So ist man sich beim Bund denn auch sicher: Die Substanz gelange durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in das Grundwasser.
Verschiedene andere Quellen werden zwar auch genannt: gasförmige Kälte- und Treibmittel und punktuell Industrieabwässer. Die deutlich erhöhten Konzentrationen in Regionen mit viel Ackerland gingen aber auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zurück.
Grüne fordern Grenzwert für TFA
Dass man die langfristigen Folgen nicht kenne, streicht auch Grünen-Nationalrätin Schlatter heraus. Gerade darum sei es sehr wichtig, TFA in den Griff zu bekommen: «So, dass wir aufhören, es in der Umwelt auszubringen.»
Gerade heute hat die Landwirtschaft vom Nationalrat wieder Subventionen zugesprochen erhalten, noch mehr als letztes Jahr.
Gleichzeitig scheint sie unser Trinkwasser zu vergiften. Da muss wohl in der Vergangenheit ziemlich viel schiefgelaufen sein?
Sie wolle keine Schuldzuweisungen machen, sagt Schlatter: «Denn man hat natürlich auch nicht so genau gewusst, was diese Chemikalien überhaupt bedeuten. Sie haben sehr gute Eigenschaften im Bereich Pflanzenschutz, zum Beispiel.» Beim Menschen kenne man die Folgen noch nicht so genau.
Im Verdacht steht TFA, ungeborene Kinder zu schädigen und die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen. «Wir wissen eben auch, dass TFA schädliche Auswirkungen hat auf Wasserorganismen», so Schlatter.
Jetzt gelte es, andere Lösungen zu finden und bei Pflanzenschutzmitteln von TFA-Vorläuferstoffen wegzukommen. «Das eine Problem ist, dass wir keine Grenzwerte kennen für TFA» – dies wollen die Grünen jetzt vom Bundesrat einfordern.
Andere Länder kennen bereits TFA-Grenzwert
Bauern-Chef Markus Ritter geht dies zu schnell. Zunächst müsse geklärt werden, was für einen Einfluss TFA auf die menschliche Gesundheit habe. «Wir müssen wissen, in welcher Höhe ein Grenzwert überhaupt gerechtfertigt wäre.»
Marionna Schlatter aber wäre lieber, jetzt schon Nägel mit Köpfen zu machen: «In Deutschland kennt man schon Grenzwerte. Ich denke, man hat schon deutliche Hinweise, ab welchem Punkt diese Stoffe schädlich sein könnten.» Gleichzeitig müsse am Ursprung die Ausschüttung solcher Stoffe bekämpft werden.
Klar scheint vorläufig nur eines: Die Konzentration von TFA im Grundwasser und der Umwelt allgemein wird nicht sinken. Weil sich TFA nicht oder kaum abbaut, kann es nur aufwärts gehen.
Kommt dazu, dass das, was wir jetzt messen, wohl erst der Anfang ist, wie das Bafu herausstreicht: Bis das Niederschlagswasser und mit ihm die steigenden TFA-Konzentrationen durch den Boden gesickert seien, dauere es mehrere Jahre bis Jahrzehnte.