Schweizer Armee und Zivilschutz brauchen dringend Rekruten
Tiefststand an Rekruten in der Schweizer Armee. Das VBS schlägt mit den neusten Zahlen Alarm. Doch auch der Zivilschutz braucht dringend Leute. Was nun?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweizer Armee verzeichnet einen neuen Tiefstand an Rekruten.
- Auch der Zivilschutz hat grosse Rekrutierungsprobleme.
- Sicherheitspolitiker sind sich uneins, wie die Mängel behoben werden könnten.
Die Zahlen sprechen für sich: Rund 16'000 Personen absolvierten im letzten Jahr die Rekrutenschule. 2000 mehr wären nötig. Doch nicht nur die Schweizer Armee verkündete diese Woche einen neuen Tiefstand. Auch Zivilschutz-Organisationen in mehreren Kantonen klagen über Rekrutierungsprobleme.
Die Rekruten-Not beschäftigt auch in der laufenden Herbstsession. Doch wirklich vom Fleck kommt die Politik nicht. Der Ständerat hat zwar den Zugang zum Zivildienst erschwert. Die Fusion von Zivilschutz und -dienst schob er jedoch auf die lange Bank.
Denn die Sicherheitspolitiker sind noch weit von einer gemeinsamen Lösung entfernt.
BDP will Frauen und Migranten einbeziehen
Für Rosmarie Quadranti, Mitglied der Sicherheitspolitischen Komission des Nationalrates, ist es höchste Eisenbahn zu reagieren. «Wir werden künftig überall Bestandesprobleme haben!» In der Armee seien es jetzt noch keine echten Probleme, ist die BDP-Nationalrätin überzeugt. «Schliesslich sind wir nicht im Krieg.»
Aber: «Die Bestandesprobleme werden zunehmen, in allen drei Organisationen. Besonders der Zivildienstbedarf wird grösser, wenn man nur schon an die Zunahme pflegebedürftiger Senioren denkt.»
Quadrantis Lösung: «Ein Dienstpflichtsystem, in Anlehnung an Norwegen. Denn es braucht unbestritten mehr Frauen in der Schweizer Armee.» In Norwegen wurde die Wehrpflicht vor fünf Jahren auf beide Geschlechter ausgedehnt.
Auch plädiert Rosmarie Quadranti für ein weiteres Modell: «Der Bürgerdienst muss diskutiert werden. Dieser inkludiert Freiwilligenarbeit, die Pflege von älteren Menschen und auch sonstige Bereiche, welche Fachkräfte-Mangel haben.»
Zudem könnte dieser für alle gelten: «Auch für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund.» Nur eine allgemeine Bürgerpflicht könne die Bestandesprobleme in allen Organisationen lösen.
FDP: «Es braucht Frauen!»
Nichts mit dem norwegischen Modell anstellen kann Walter Müller, FDP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Zivilschutzverbandes. «Dann nimmt man nur die, die man braucht. Wie legt denn der Staat fest, wen er nimmt?»
Das Modell müsse sich zuerst bewähren, «das hat es in Norwegen noch nicht». Doch Frauen seien dringend notwendig, um die Rekrutierungs-Not zu dämmen. «Besonders im Zivilschutz könnten wir Frauen brauchen, aber natürlich auch in der Armee.»
Zustimmung kriegt er dafür von Parteikollege Josef Dittli. «Ich sehe grosses Potential in der Motivation der Frauen, sich freiwillig für die Schweizer Armee zur Verfügung zu stellen.»
Schweizer Armee - das grösste Sorgenkind?
Doch Dittli, zugleich Chef der sicherheitspolitischen Kommission im Ständerat, sieht noch keine Alarmstufe Rot. «Mit der Revision des Zivildienstgesetzes ist der Bundesrat auf dem richtigen Weg. Damit werden die Übertritte von der Armee in den Zivildienst nach der RS spürbar gesenkt.»
Damit stösst er bei Rosmarie Quadranti auf Granit. «Es nützt nichts, nur für mehr Rekruten in der Armee zu sorgen. Der Vorschlag, den der Nationalrat zum erschwerten Zivildienst-Zugang vorlegt, ist ein No Go. Das ist eine einseitige Ansicht zugunsten der Armee!»
Eine geeignete Lösung, geschweige denn ein Konsens, sind noch in weiter Ferne. Doch FDP-Nationalrat Müller beschwichtigt: Der Bundesrat habe parallel eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese solle die Frage klären, wie die Bestände von Armee und Zivilschutz langfristig gesichert würden.
«Bundesrätin Viola Amherd hat gerade diese Woche gesagt, sie erwarte bis Ende Jahr Antworten.»