Schweizer Nachrichtendienste sollen Extremisten früher abhören
Der Bundesrat möchte das Nachrichtendienstgesetz ändern. Der neue Chef des Nachrichtendienst des Bundes stellt sich vor und die Schwerpunkte werden präsentiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Christian Dussey hat im April die Leitung des Nachrichtendienst des Bundes übernommen.
- Seine Zeit beim Geheimdienst beginnt mit einer Revision des Nachrichtendienstgesetzes.
- Der Bundesrat will suspekte Personen schon früher abhören und überwachen dürfen.
Der Walliser Christian Dussey hatte am gestrigen Donnerstag seinen ersten öffentlichen Auftritt als Geheimdienstchef. Über sie Ernennung sei er geehrt, sagte der Diplomat an der Medienkonferenz. Während seiner Amtsübernahme sei die internationale Lage voller Bedrohungen: Ukraine-Krieg, russische Cyberangriffe, Terrorangriffe, Extremismus.
«Alle diese Herausforderungen haben einen direkten Einfluss auf die Arbeit und Mission des NDB», so Dussey. Die Schweizer Nachrichtendienste werden gezwungen, ihre Strukturen, Ausbildungen und Strategien zu überdenken. In seinem ersten Monat habe sich der neue Direktor viel mit der Ukraine befasst, sagte er. So sei es schwierig, die Ressourcen adäquat auf alle Bedrohungsquellen zu verteilen.
Bundesrat will früher gegen den Extremismus vorgehen
An seiner gestrigen Sitzung traf der Bundesrat die Entscheidung, gewalttätigen Extremismus früher erkennen zu wollen. Hierfür wird das Nachrichtendienstgesetz überarbeitet, «bisher gemachte Erfahrungen müssen berücksichtigt werden», sagte Bundesrätin Viola Amherd. Die Vernehmlassung zum Revisionsentwurf läuft bis im September 2022.
Analog zum Gesetz über präventive polizeiliche Massnahmen sollen Informationen über potenzielle gewalttätig-extremistische Personen früher eingeholt werden. Dabei sollen Personen oder Organisationen gezielt abgehört, überwacht oder durchsucht werden, wenn sie «die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen ablehnen». Damit könne der NDB gefährliche Personen besser «aus dem Verkehr ziehen», so Viola Amherd.
Wer konkret als gewalttätisch-extremistisch gelten könnte, sei eine delikate Frage, antwortete Christian Dussey. Zahlreiche Fragen an der Medienkonferenz betrafen die Szene der Corona-Skeptiker: Sowohl Dussey als auch Amherd hielten fest, dass die Staatsordnung sehr explizit bedroht sein müsse. Das sei ausschlaggebend für die Einstufung gefährlicher Personen oder Organisationen.
Voraussetzungen bleiben streng
Der NDB soll ausserdem künftig Einsicht in Finanztransaktionen von Verdächtigten erhalten, «bei schweren Bedrohungen der Sicherheit der Schweiz». Wie der Bund jedoch betont, gelten immer noch «strenge Voraussetzungen»: Die Vorsteherin des VBS, Viola Amherd, muss ihr Einverständnis geben. Das Bundesverwaltungsgericht auch.
Amherd müsse zudem die Vorsteherin des EJPD, Karin Keller-Sutter und den Vorsteher des EDA, Ignazio Cassis, informieren. Das könnte künftig für die Freigabe einer Verlängerung von schon bestehenden Informationsbeschaffungen nicht mehr der Fall sein. Der Bundesrat trage mit den Revisionsvorschlägen einigen Vorschlägen aus dem Parlament Rechnung, hält er fest.
Die nachrichtendienstliche Datenbearbeitung wird ebenfalls abgeändert. Dabei orientiere sich die neue Version an das ebenfalls neue Datenschutzgesetz, welches 2023 in Kraft treten soll. Dass die Revision auf linker Seite kritisiert werden könne, sei Viola Amherd bewusst, wie sie in einer Antwort sagte. Ein Referendum werde auch erwartet, aber das Gesetz werde überzeugen, so die Verteidigungsministerin.
Der NDB hat kein einfaches Jahr hinter sich. Seit August 2021 leitete der Vizedirektor die Behörde; der ehemalige Chef Jean-Philippe Gaudin war urplötzlich abgetreten. Die Übergangszeit bis zum Antritt Dusseys sei für die Mitarbeitenden belastend gewesen, stellte die Aufsichtsbehörde fest.
Zudem leitete das Verteidigungsdepartement eine Administrativuntersuchung ein, nachdem Informationen ohne Genehmigung des Bundesverwaltungsgerichts beschafft wurden.