«Sex nur mit Zustimmung» beschäftigt Parlament
Was gilt als Vergewaltigung? Bei der Revision des Sexualstrafrechts steht das sogenannte schwedische Modell im Zentrum der Diskussion.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Schweizer Sexualstrafrecht wird revidiert. Im Fokus steht das «schwedische Modell».
- Die Definition von Vergewaltigung bzw. sexueller Gewalt soll erweitert werden.
- Wie die Lösung aussehen soll, ist aber umstritten.
Sex ohne Einwilligung ist in der Schweiz nicht grundsätzlich strafbar. Eine Vergewaltigung gemäss Sexualstrafrecht setzt voraus, dass – wie der Name sagt – Gewalt angewendet worden ist. Dass Reformbedarf besteht, wird kaum bestritten, aber wie die Lösung aussehen soll.
Ein Fünftel der Schweizer Frauen betroffen
Angestossen hat die Diskussion unter anderem eine GFS-Studie im Auftrag von Amnesty International. Gemäss dieser hat jede fünfte Frau in der Schweiz ungewollte sexuelle Handlungen erlebt. Mehr als jede zehnte hatte Sex gegen ihren Willen. Die meisten dieser Taten, über 90 Prozent, werden nie angezeigt.
Die Strafrechtlerin Nora Scheidegger schlägt deshalb vor, dass sich die Schweiz am sogenannten schwedischen Modell orientiert. Die «Zustimmungs-Lösung» besagt, dass Geschlechtsverkehr nur dann stattfinden darf, wenn verbal oder nonverbal eine ausdrückliche Zustimmung erfolgt ist. Die Umkehr davon, die Veto-Lösung, hiesse, dass eine Person «Nein» sagt oder ihren Unwillen signalisiert.
Falsche Beschuldigungen, schwierige Beweise
Im Ständerat bereitet eine Untergruppe der Rechtskommission derzeit die Revision des Sexualstrafrechts vor. Das schwedische Modell hat dort aber offenbar einen schweren Stand. Dieses sorgt auch europaweit für Diskussionsstoff, so dass die schwedische Botschaft in Deutschland bereits Klarheit schaffen musste. Die Medienberichte seien falsch: Eine schriftliche Einverständniserklärung vor dem Sex sei nicht erforderlich.
Zweifel haben die Politiker trotzdem. Kommt es vermehrt zu falschen Beschuldigungen oder muss gar ein mutmasslicher Täter seine Unschuld beweisen, statt umgekehrt?
Anders sehen das die beiden SP-Nationalrätinnen Flavia Wasserfallen und Min Li Marti. Sie kündigen bereits jetzt an, das schwedische Modell in der nationalrätlichen Rechtskommission beantragen zu wollen. Noch bevor im Ständerat überhaupt eine Diskussion stattgefunden hat.
Erste Entscheide frühestens im Dezember
Von diesem forschen Vorgehen unbeeindruckt zeigt sich FDP-Ständerat Andrea Caroni, Mitglied der zuständigen Subkommission. «Die Nationalrätinnen können sich ganz normal im üblichen Verfahren im Zweitrat einbringen, das wäre dann wohl anfangs Jahr.»
Obwohl Wasserfallen und Marti Mitglied der Rechtskommission des Nationalrats sind, können sie derzeit nicht direkt in die Revision eingreifen. Die drei vorbereitenden Ständeräte – nebst Caroni auch Daniel Jositsch (SP) und Beat Rieder (CVP) – brauchen noch mehr Zeit. Er gehe davon aus, dass im Herbst dann die Rechtskommission und im Winter der Ständerat entscheiden werden, sagt Caroni.