Staatsschulden: Experten widersprechen Ueli Maurer
Wegen Corona muss sich auch die Schweiz verschulden. Aber ist die Lage so schlimm, wie es Bundesrat Ueli Maurer beschreibt? Experten widersprechen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Corona-Krise treibt in jedem Land die Schulden in die Höhe, in der Schweiz ebenfalls.
- Aber namhafte Ökonomie-Experten sind der Meinung, die Schweiz könne sich dies leisten.
- Dennoch macht sich Bundesrat Ueli Maurer Sorgen, wie das Geld zurückbezahlt werden soll.
Der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements, Bundesrat Ueli Maurer, gibt das Staatsgeld nicht gerne aus. «Mich reut jeder Franken», meinte er im Dezember.
Dann, Ende Januar, rechnete Ueli Maurer der Schweiz vor, wie viele Schulden der Bund wegen der Corona-Krise macht. Täglich seien es etwa 150 Millionen Franken, pro Stunde 6 Millionen, und pro Minute etwa 100'000 Franken. Da sei Vorsicht geboten, so der Finanzchef, denn das sei «das Geld unserer Kinder».
Dabei bestehen namhafte Ökonomen und Ökonominnen auf der Tatsache, dass sich die Schweiz weitere Schulden leisten könne. So zum Beispiel Wirtschaftsjournalist und Finanzanalyst Mark Dittli, oder auch SP-Nationalrätin Jacqueline Badran.
Doch hat Ueli Maurer vielleicht doch recht? Sollte sich der Bund mehr Sorgen um seine Verschuldung machen? Wie wird der Bund die Schulden zurückbezahlen können?
Dank Schuldenbremse «exzellente» Schuldenquote
Zuerst einmal vorweg: Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine «exzellente» Schuldenquote, sagt zumindest das Eidgenössische Finanzdepartement. Seit 2003 ist die Schuldenbremse in der Verfassung verankert, der Bund konnte bis 2019 seine Schulden sehr stark senken. Damit steht die Schuldenquote in der Relation zum Bruttoinlandprodukt (BIP) schon seit einigen Jahren um die 30 Prozent.
Für das Jahr 2020 schätzt die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) eine Erhöhung der Nettoschulden von 21 Milliarden. Dies, weil das Finanzvermögen gleichzeitig mit der Schuldenerhöhung sinke. Brutto werden 8,7 Milliarden an Schuldenerhöhungen geschätzt. Für die kommenden zwei Jahre (2021 und 2022) sieht die EFV vor, die Bruttoschulden nochmals um 4,1 respektive 1,3 Milliarden Franken zu erhöhen.
Schweiz verdient an ihren Schulden
Jetzt kommt aber der verwirrende Teil der Schulden-Geschichte. Das schweizerische Schuldengeld wird auf dem Kapitalmarkt aufgenommen. Hierfür nimmt die Eidgenossenschaft Geldmarktbuchforderungen und Anleihen auf. Diese sind mit einem Negativzins behaftet: Das bedeutet also, dass die Schweiz mit ihren Schulden sogar Geld verdient.
Das bestätigt auch Mathias Binswanger, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Die Zinsen sind bei Schulden des Bundes für alle Laufzeiten von 0 bis 50 Jahre negativ. Das bedeutet, dass der Staat mit seinen Schulden Geld verdient. Und das ist schon mehrere Jahre so.»
Binswanger ist der Meinung, die Schweiz könne sich problemlos mehr Schulden leisten. «Die Nachfrage nach Schulden des Bundes ist so gross, dass er problemlos Investoren auf dem Kapitalmarkt findet», so der Experte.
Zinsen müssen tief bleiben
Was ist aber mit der Zurückzahlung dieser Schulden? Wird der Bund hierfür die Steuern erhöhen müssen? Wie lange werden Schweizerinnen und Schweizer mit einer verschuldeten Regierung leben müssen?
Das können Ökonominnen und Ökonomen nicht abschliessend beantworten. Alles ist abhängig vom Wirtschaftswachstum, beziehungsweise, wie sehr das BIP sich über die Jahre erholen kann. Solange die Zinsen aber tiefer sind als das Wirtschaftswachstum, kann die Schweiz ihre Schulden mit neuen Schulden zurückzahlen.
Das erklärt Fabio Canetg, Wirtschaftsjournalist und Dozent, auf seinem Youtube-Kanal. Diese Lösung funktioniere bis in die Unendlichkeit. Es sei denn, die Zinsen steigen an, so Canetg weiter. Dann müsste die Eidgenossenschaft die Steuern erhöhen, um ihre Schulden zurückzuzahlen.