Umstrittener Massnahmenplan für sauberes Wasser
Der Bundesrat will mit verschiedenen Massnahmen für sauberes Wasser sorgen. Bei den politischen Akteuren kommen die Vorschläge unterschiedlich gut an.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit seinem Massnahmenplan für sauberes Wasser stösst der Bundesrat auf viel Kritik.
- Einigen geht das Vorhaben zu wenig weit, für andere ist es zu viel.
- Gemäss der Regierung sind die Ideen auch eine Antwort auf die gescheiterten Initiativen.
Das erste Verordnungspaket zur Reduktion des Risikos beim Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft ist in der Vernehmlassung kontrovers aufgenommen worden. Praktisch niemand wehrt sich zwar grundsätzlich gegen den «Massnahmenplan Sauberes Wasser». Am Weg dorthin scheiden sich allerdings die Geister.
Der Bundesrat will die mit Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken bis 2027 im Vergleich zum Durchschnitt zwischen 2012 und 2015 halbieren. Weiter sollen auf den Ackerflächen eines Betriebes neu mindestens 3,5 Prozent der Fläche als spezifische Biodiversitätsförderflächen angelegt werden müssen.
Abgeschafft werden soll ferner der Fehlerbereich von 10 Prozent bei der Düngerbilanz. Insgesamt soll der Stickstoff- und Phosphorgehalt in den Böden bis 2030 um 20 Prozent reduziert werden.
Mit solchen Massnahmen gebe man im Gegensatz zu der vom Stimmvolk im Juni abgelehnten Trinkwasser- und Pestizid-Initiative ganz konkrete Antworten. Man habe die Problematik anerkannt, so die Landesregierung. Die Vernehmlassung dazu ist diese Woche abgelaufen.
Uneinigkeit auch bei Bauern selbst
In der Pestizidfrage nicht einig sind sich allen voran die direkt betroffenen Bauernverbände selber. Die Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) bezeichnet das Paket zwar als wichtigen ersten Schritt, kritisiert die Massnahmen aber als zu wenig konsequent. Die Politik der kleinen Schritte erhöhe den ohnehin schon grossen administrativen Aufwand für die Bauern weiter. Effizienter und einfacher wäre es, gesamtbetriebliche Systeme wie Bio, IP und Lenkungsabgaben auf Pestizide stärker zu fördern.
Auch der Schweizer Bauernverband (SBV) sagt «ja, aber», jedoch aus anderen Gründen. So seien die Reduktionsziele bei den Nährstoffen «extrem ambitiös». Er will deshalb den Eintrag von Stickstoff und Phosphor nur um 10 statt 20 Prozent reduzieren. Zudem müssten die anderen betroffenen Sektoren ebenso einen Beitrag leisten.
Auch der Toleranzbereich von 10 Prozent könne erst reduziert werden, wenn die Suisse-Bilanz praxistauglich überarbeitet worden sei. Die 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche hätten zudem keinen Entlastungseffekt.
Für die Grünen geht die Vorlage zwar in die richtige Richtung, aber zu wenig weit. Der vorgeschlagene Absenkungspfad für den Stickstoff- und Phosphorgehalt in den Böden von 20 Prozent sei zu gering. Sie bemängeln zudem ebenfalls, dass sich die Massnahmen nur auf die landwirtschaftliche Produktion beschränken.
FDP kritisiert Streichung des Toleranzbereichs
Es brauche eine «Vom-Hof-auf-den-Tisch-Strategie» unter Einbezug der nicht landwirtschaftlichen Bereiche. Der Bundesrat hat entsprechende Massnahmen in einem nächsten Verordnungspaket in Aussicht gestellt. Als wirksamste Massnahme des ganzen Pakets begrüssen die Grünen die Streichung des Toleranzbereiches von zehn Prozent.
«Nicht nachvollziehbar» ist diese Streichung dagegen für die FDP und die Mitte-Partei. Solange in den Räten nicht über eine Motion entschieden sei, die eine Beibehaltung des Toleranzbereichs fordere, sei dies problematisch. Die Mitte schlägt die Prüfung eines Ausgleichssystems vor. Wer in einem Jahr etwa weniger Pestizide ausbringt, soll das im nächsten Jahr kompensieren dürfen.
Die Reduktion ist für die FDP nur möglich, wenn praxistaugliche innovative Alternativen zu klassischen synthetischen Pflanzenschutzmitteln (PSM) zur Verfügung stehen. Deshalb müsse verstärkt in die Forschung und Entwicklung von Alternativen investiert, und die Zulassungsverfahren müssten vereinfacht werden.
Bislang habe nicht aufgezeigt werden können, wie eine solche Reduktion erreicht werden soll, meint auch die Mitte. Die Zielvorgaben müssten in der Praxis erreichbar bleiben. Die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen Lebensmitteln dürfe nicht gefährdet werden.
Grünliberale wollen Plan für Pestizid-Ausstieg
Die Grünliberalen wiederum vermissen einen grundlegenden Plan zum Ausstieg aus den Pestiziden. Die Absenkungspfade seien zwar zu begrüssen, gingen aber zu wenig weit. Zielführender wären ohnehin strengere Vorgaben bei der Zulassung von Pestiziden und die Einführung einer Lenkungsabgabe auf diese Produkte.
Zudem erwartet die Partei, dass die Wirkstoffe alle vier Jahre neu beurteilt werden. Für Pestizide, deren Wirkstoffe auf der Verbotsliste stehen, sollen keine Sonderbewilligungen erteilt werden.
Begrüsst werden die konkreten Zielvorgaben für Pestizide und Nährstoffe von den Fach-, Umwelt- und Konsumentenorganisationen. Das schreiben 16 von ihnen in einer gemeinsamen Mitteilung.
Es brauche es jedoch weitergehende Schritte. Dies, um die Umweltziele der Landwirtschaft zu erreichen und die geltenden Grenzwerte im Wasser einzuhalten. Nur so könne man langfristig eine sichere Trinkwasserversorgung gewährleisten.
Economiesuisse vertraut auf Innovation
Wie die Grünen lehnen sie Sonderbewilligungen für im ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) nicht zugelassene Wirkstoffe ab. Zudem müsse der Bund mehr Mittel in die Erforschung von alternativen PSM und in die Züchtung von resistenten Sorten stecken. Die Absenkung des Eintrags von Stickstoff und Phosphor müsse überdies auch nach 2030 weitergehen. Würden diese Ziele verfehlt, brauche es Lenkungsabgaben.
Wie die FDP sehen auch der Wirtschaftsverband Scienceindustries sowie der Wirtschaftsdachverband Economieuisse das Heil vor allem in der Innovationsförderung. Eine echte und nachhaltige Verminderung des Risikos müsse durch Forschung und Innovation erreicht werden, schreibt Economiesuisse. Auch eine verbesserte Erkennungs- und Anwendungstechnik, Bildung und fachkompetente Beratung der Anwender sei wichtig.
Der Fokus darf laut Wirtschaftsverbänden nicht zu eng auf den Pestiziden liegen. Züchtungsmethoden und weitere Innovationen seien ebenso wichtig. Für Economiesuisse ist widersprüchlich, Pflanzenschutzmittel reduzieren zu wollen, sich aber gleichzeitig gegen neue, namentliche gentech-basierte Züchtungsmethoden zu wehren. Diese Methoden würden Pflanzen widerstandsfähiger machen und damit den Einsatz von PMS und Bioziden verringern.
Die Änderungen werden voraussichtlich im Frühjahr 2022 vom Bundesrat beschlossen und sollen auf den 1. Januar 2023 in Kraft treten. Ein zweites Verordnungspaket mit zusätzlichen Massnahmen wird der Bundesrat zu einem späteren Zeitpunkt in die Vernehmlassung geben.