Viola Amherd: Politologe Claude Longchamp ordnet ihren Rücktritt ein
Ein bisschen überrascht war immerhin auch Politologe Claude Longchamp vom Rücktritt von Viola Amherd.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein bisschen überrascht war auch Politologe Claude Longchamp vom Rücktritt Amherds.
- Für Nau.ch ordnet er ihren Leistungsausweis ein und spekuliert über mögliche Nachfolger.
Nein, amtsmüde sei sie nicht: Man müsse gehen, solange man noch in Form ist, lächelte Viola Amherd eine entsprechende Journalistenfrage weg. Und so hat die Walliserin die meisten auf dem falschen Fuss erwischt.
Ein Rücktritt lag zwar in der Luft – aber grad schon im Januar? Besonders überrumpelt scheint die SVP zu sein. Diese hatte zwar noch am Samstag genau diesen Rücktritt gefordert. Doch während die anderen Parteien bereits die geleisteten Dienste verdankt hatten, verschickte die SVP noch ein Communiqué zum EU-Dossier.
Für Nau.ch schätzt Politologe Claude Longchamp die neue Situation ein.
Nau.ch: Zunächst zum Zeitpunkt: Macht es aus Sicht von Viola Amherd Sinn, schon jetzt zu gehen?
Claude Longchamp: Ja. Mit dem Rücktritt in diesem Jahr habe ich gerechnet, nicht aber mit dem Zeitpunkt. Ich dachte, die Frauenfussball-Meisterschaft wollte die Sportbegeisterte noch mitnehmen.
Wenn es schneller als erwartet kommt, ist meistens der interne Druck hoch. Und in den letzten Tagen ist mit dem ebenfalls überraschenden Rücktritt von Gerhard Pfister als Parteipräsident einiges in Bewegung geraten.
Eine Reaktion auf die Rücktrittsforderungen der SVP schliesse ich eher aus, das war wohl eher umgekehrt. Die Partei hat am Wochenende damit spekuliert, um sich als Change-Maker behaupten zu können.
Nau.ch: Es gab bereits in der Medienkonferenz kritische Fragen hinsichtlich noch offener Baustellen: Jetzt müsse die Chefin doch «auf Deck» bleiben. Hat Viola Amherd dem VBS den Stempel aufdrücken können oder lässt sie viele Probleme zurück?
Claude Longchamp: Der Leistungsausweis ist im Vergleich zu den Vorgängern gegeben. Sie hat den Kampfjet und weitere Rüstungsgüter beschaffen können. Sie hat die Anschlussfähigkeit der Schweizer Armee an die Nato verbessert.
Gescheitert ist sie aber mit der schnellen Aufstockung des Armeebudgets, allenfalls mit zusätzlichen Einnahmen. Da stand sie auch bundesratsintern gegen das Entlastungsprogramm. Und bei den anhaltenden Problemen mit der Ruag musste sie eben eine scharfe Kurve zurück machen.
Hervorzugehen ist auch ihre Arbeit im Präsidialjahr. Sie hat sich als versierte Aussen- und Europapolitikerin profiliert. Dass das der SVP nicht so gefiel, weiss sie, aber es wissen auch alle, warum.
Nau.ch: Jetzt ist eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gesucht. Sie selbst findet, Noch-Parteichef Gerhard Pfister könne gut ebenfalls antreten. Wer käme denn sonst überhaupt noch infrage?
Claude Longchamp: Um Pfister kommt die Partei nicht herum, um eine Frauenkandidatur wohl auch nicht. Am ehesten sehe ich da die Freiburger Ständerätin Isabelle Chassot. Sie hat die PUK-Arbeiten eben mit Erfolg abgeschlossen, doch gilt sie als weitere Welsche.
Zwei zusätzliche Namen wurden in der Vergangenheit häufig genannt: Beni Würth und Martin Candinas. Ersterer sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass mit Karin Keller-Sutter bereits eine Person aus dem Kanton Sankt Gallen im Bundesrat ist. Und Martin Candinas hatte sich bei der Bewerbung von Jon Pult mit dem Familienargument zurückgehalten.
Alles kommt darauf an, ob es weitere Rücktritte gibt. Dabei schaut man vor allem auf Ignazio Cassis. Er hat einen baldigen Rücktritt vorerst ausgeschlossen, um das Europadossier durchs Parlament und die Abstimmung zu bringen.