Volksinitiative fordert pestizidfreien Umbau der Landwirtschaft
Das Wichtigste in Kürze
- Keine Pestizide oder Antibiotika – dies fordert die Trinkwasserinitiative.
- Wer dennoch zu den Mitteln greift, soll keine Subventionen mehr erhalten.
- In einer Kampagne plädiert das Ja-Komitee für den Umbau der Landwirtschaft.
Wer künftig Landwirtschaftssubventionen beziehen will, muss seine Produkte ohne den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika produzieren. Dieses Ziel verfolgt die Trinkwasserinitiative. Das Ja-Komitee appelliert in seiner Kampagne an die Vernunft der Bevölkerung.
Am Montag trat das breit abgestützte Initiativkomitee auf einem Biohof im bernischen Grossaffoltern BE unter freiem Himmel vor die Medien. Der Zeitpunkt am Weltwassertag war kein Zufall.
Keine Subventionen beim Einsatz von Pestiziden
Anwesend waren Biobauern, Naturwissenschaftler, ein Tierarzt und ein Vertreter des Trinkwasserverbands. Sie alle plädierten für einen umweltgerechteren Umbau der Landwirtschaft.
Die Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz (Trinkwasserinitiative)» verlangt, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden, auf vorbeugend oder systematisch verabreichte Antibiotika und zugekauftes Futter verzichten. Auch die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung soll nur unter strengen Bedingungen Geld vom Bund erhalten.
Hinter dem Volksbegehren steht der Verein «Sauberes Wasser für alle». Im Komitee sitzen verschiedene parteiunabhängige Einzelpersonen. Präsidentin ist Franziska Herren. Sie war Co-Initiantin der 2014 im Kanton Bern abgelehnten Volksinitiative «Mühleberg vom Netz».
Es sei erschreckend, dass mit Steuergeldern im Umfang von 3,5 Milliarden Franken jährlich eine Lebensmittelproduktion mitfinanziert werde, «die unsere Umwelt zerstört und unser wichtigstes Lebensmittel verschmutzt», sagte Herren. Die Landwirtschaftspolitik setze seit Jahrzehnten willentlich Fehlanreize. «Fehlanreize, die eine Lebensmittelproduktion fördern, die von Pestiziden, Importfutter und Antibiotika abhängig ist.»
Bundesrat und Parlament empfehlen ein Nein
Laut Herren bezahlt die Bevölkerung drei Mal für ihre Lebensmittel: mit Subventionen, für den Ladenpreis und für die Folgekosten. Statt weitere Umwelt-, Klima- und Wasserschäden zu fördern, sollten die Steuergelder künftig eine zukunftsfähige pestizidfreie Landwirtschaft ermöglichen.
Über die Initiative stimmen Volk und Stände am 13. Juni ab. Die Ausgangslage für die Befürworter ist schwierig: Bundesrat und Parlament empfehlen ein Nein. Der grösste Gegenspieler ist der Schweizer Bauernverband (SBV), der die Initiative als «radikal» bezeichnet.
Ohne Pflanzenschutzmittel würden die Erträge in der Landwirtschaft um 20 bis 40 Prozent schrumpfen, was die Preise ansteigen liesse, argumentieren die Gegner. «Wenn man die Milliarden an Folgekosten auf die Preise aufschlagen würde, wären herkömmliche Produkte schon heute teurer als Bio-Produkte», konterte Herren. Sie appellierte an die Bevölkerung, Food Waste zu reduzieren und weniger Fleisch zu konsumieren.
Pestizide und viel zu grosse, durch Futtermittelimporte künstlich erhöhte Tierbestände verursachten in der Schweiz grosse Umwelt- und Wasserprobleme, macht das Initiativkomitee geltend. Eine Million Menschen würden derzeit mit pestizidbelastetem Trinkwasser beliefert, das den Lebensmittelhöchstwert überschreitet, sagte Roman Wiget, Präsident des Trinkwasserverbands. Dieser Trend müsse gestoppt werden. «Eigentlich geht es schlicht und einfach um Vernunft.»
Nitratgehalt im Grundwasser deutlich zu hoch
Biobauer Markus Bucher, der vor Jahren selber auf pestizidfreie Produktion umgestellt hat, erwähnte die Vorteile eines Umbaus der Landwirtschaft: «Wenn wir die Nutztierbestandesgrössen an die Landflächen der Umgebungen anpassen, fallen Futtermittelimporte und regionale Überschüsse an Gülle und Mist weg.»
Der Eintrag von Gülle in Gewässer ist laut ETH-Ingenieur Martin Würsten auch die häufigste Ursache für die jährlich rund 180 Fischsterben. Es seien deshalb Massnahmen in der Landwirtschaft angezeigt. «Zusätzliche Stickstoffreduktionen in Kläranlagen, wie sie der Bauernverband fordert, entfalten dort keine Wirkung.»
Auch die Nitratgehalte des Grundwassers im ganzen Mittelland sind laut Initiativkomitee deutlich erhöht. Nitrat im Trinkwasser erhöhe die Gefahr, an Darmkrebs zu erkranken.
Laut Klimaforscher Thomas Stocker leistet die Trinkwasserinitiative zudem einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz: Durch eine landwirtschaftliche Produktion, die die Ressource Trinkwasser wesentlich weniger belaste, gelangten letztendlich auch weniger Treibhausgase in die Atmosphäre.
«Es bleibt uns nichts anderes möglich, als die Vorgaben der Natur umzusetzen», sagte Martin Ott, Experte für Biolandbau. Es gehe nicht um ein absolutes Verbot von Pestiziden und Antibiotika. Es gehe nur darum, «falsch bezahlte Anreize zu stoppen».