Wahl-Slogans von 2019 und 2023: Jup, kommen mir bekannt vor
Hochgesteckte Ziele präsentierten die Parteien 2019. Und in der Regel bei den Wahlen 2023 gleich noch einmal. Nur die SVP fährt mal wieder einen Extrazug.
Das Wichtigste in Kürze
- Wahlversprechen gehören eingehalten. Gilt das auch für Parteien?
- Immerhin versprechen einige seit Jahren das Gleiche.
- Also trotz Wahl nichts erreicht? Ein Kommentar.
Wen wählen wir bei den Wahlen 2023? Am besten doch diejenigen Parteien, die ihre Versprechen einhalten und in diesem sogenannten Bundesbern auch etwas erreichen. Noch besser natürlich, wenn sie das erreichen, was wir ebenfalls als erstrebenswert betrachten. Doch wie ein kurzer, nicht-repräsentativer Vergleich zeigt: Das wären wohl schon zu hohe Ansprüche.
GLP: Wenn es nicht klappt, fordern wir halt noch mehr
Was also haben die grossen Parteien denn in den letzten vier Jahren erreicht? Blickt man auf die Wahl-Slogans von 2019 zurück, zeigt sich ein durchzogenes Bild. Beginnen wir bei der nominell kleinsten der grossen Parteien: den Grünliberalen. Sie gelten seit Jahrzehnten als «die Neuen» und haben sich in dieser Zeit einen Namen gemacht als diejenige Partei mit illusorischen Forderungen.
In Sachen Legislatur-Effizienz sieht es allerdings weitaus weniger dramatisch aus. 2019 forderte die GLP, die Schweiz müsse «Vorreiterin beim Klimaschutz» sein – und wörtlich dasselbe fordert sie auch 2023. Gleiches gilt für «Dienst- statt Wehrpflicht»: Auch hier steht man noch immer auf Feld 1. Aber: Die «Ehe für alle» dürfen sich die Grünliberalen tatsächlich auf die (Regenbogen)-Fahne schreiben und als «erledigt» abstempeln. Die «faire Individualbesteuerung» ist zwar noch nicht ganz so weit, aber die Vorlage dazu hat der Bundesrat auf der To-do-Liste.
Unter dem wenig aussagekräftigen Titel «Europa als Chance» forderte die GLP vor vier Jahren gleichberechtigten Zugang zu Wirtschaft und Bildung. Nachdem das mit «Horizon» immer noch nicht klappt, gibt’s hier keine Punkte zu holen. Konsequenterweise steht die Europa-Chance auch 2023 noch im Wahlprogramm – jetzt wird aber nicht mehr nur ein Rahmenabkommen angestrebt, sondern – sollte dies nicht klappen – optional auch der EWR-Beitritt.
Grün ist die nicht erfüllte Hoffnung
Etwas verwirrend sind die Grünen ja schon: 2019 wollten sie eine «Klimawahl» – die haben sie gekriegt. Trotz Zielerreichung wollen sie dies aber bei den Wahlen 2023 schon wieder. Das wär schon alles. Ah nein, es hat alles seine Richtigkeit: 2019 wollten die Grünen «gegen den Klimawandel vorgehen», 2023 wollen sie die «Klimakrise bekämpfen». Das ist natürlich nicht das Gleiche.
Denn das 2019 angestrebte CO2-Gesetz gibt es nach wie vor nicht, also ist es auch heuer wieder im Wahlprogramm, als «ambitioniertes neues CO2-Gesetz». Das nach wie vor pendente «Road Pricing» heisst jetzt «Mobility Pricing». Das «bedingungslose Grundeinkommen» heisst immer noch gleich, genau wie das Stimmrechtsalter 16.
Einen Erfolg können die Grünen aber dennoch vorweisen: Die Transparenz-Initiative ist umgesetzt und Wahlkampf-Budgets müssen – anders als 2019 – jetzt offengelegt werden. Zum Beispiel auch die Rekord-Millionenspende, die die Grünen erhalten haben.
Gestärkte FDP
Die FDP wollte 2019 Zugang zu den weltweiten Märkten, eine liberale Umweltpolitik, eine gerechte Altersvorsorge, Innovation und flexible Arbeitsmodelle. Mit dem in den letzten vier Jahren Erreichten scheinen die Liberalen zufrieden zu sein. Wenn auch zum Beispiel die flexiblen Arbeitsmodelle eher auf die Kappe der Corona-Pandemie gehen. Und die Schweiz schon damals Innovations-Weltmeisterin war, aber wer will schon ambitionierte Ziele in einem Wahljahr. Kannst Du ja gleich zur GLP gehen.
Deshalb hat sich die FDP nun im Synonym-Workshop ausgelebt und macht nicht einfach Copy-Paste wie die obenerwähnten Klimahysteriker. «Wirtschaft stärken, Wohlstand ausbauen» heisst es nun, und «Sicherheit und Resilienz stärken» auch grad noch. Alles ist gut, jetzt kann es nur noch besser werden, beziehungsweise frisch gestärkt.
Nur der dritte Slogan tönt etwas abgeschrieben: «Renten sichern und Prämienexplosion vermeiden» steht sicher auch in irgendeinem linken Wahlprogramm. Jetzt also auch bei der FDP, was wohl heisst, dass bis 2027 die Prämiensauerei aufgewischt und erledigt ist.
Von CVP zu «Die Mitte» und zurück
Das wäre dann wirklich mal neu, denn bei der «Mitte» ist ausser dem Namenswechsel alles beim Alten geblieben. Das sagt sie sogar selbst, denn sie fokussiert «weiterhin auf die Gesundheitskosten». Das war schon 2019 das prägende Thema, also klarer Fall von Fail. Auch «mehr Transparenz und Koordination im Gesundheitswesen» scheint irgendwie nicht mehrheitsfähig geworden zu sein. Gut, fairerweise muss man sagen, wahrscheinlich gibt es inzwischen schon eeeetwas mehr davon, aber so wenig, dass man es fast nicht sieht. Transparente Transparenz, sozusagen.
So nebenbei will «Die Mitte» auch «endlich Fairness bei den Steuern und den AHV-Renten zu schaffen». Das wird ja auch langsam Zeit. Das sagte die CVP nämlich auch schon 2019: «Die CVP fordert sichere und faire Altersrenten heute und morgen.» Gut, fairerweise muss man sagen, inzwischen ist ja auch schon überübermorgen, also kann man mit einer gewissen Berechtigung wieder von vorne anfangen.
SP, vorwärts, Marsch!
Die Sozis wollten – wir haben es geahnt – tiefere Krankenkassenprämien. Wie die FDP. Und die CVP. Und «Die Mitte». Und Sie und ich. Und zwar mit ihrer Prämienentlastungs-Initiative, was sie hoffentlich auch 2023 immer noch wollen, denn die ist nach wie vor hängig.
Tja, was will man da machen, ausser fürschi natürli. Ausserdem will die SP bei den Wahlen 2023 auch noch bei der Gleichstellung «endlich vorwärtsmachen», «bezahlbare Kita-Plätze» und «eine Solaroffensive».
2019 klang das noch ganz anders. Damals nannte man das noch «gleichberechtigte Teilhabe der Frauen am Berufsleben», oder «mehr und günstigere familienexterne Kinderbetreuung» und «die Solarenergie muss ausgebaut werden». Allein schon die Anzahl Worte ist ja total anders. Nur vorwärts ging es dem Anschein nach nicht.
Wiederverwertung: Bei der SVP ein Fremdwort
Kommen wir zur grössten Partei im Land. Hier ist die Auswertung der vier Kernthemen von 2019 etwas vertrackt. «Zuwanderung in die Sozialhilfe stoppen», hiess es damals – und dann versagt die journalistische Zwei-Quellen-Regel. Denn die einzigen, die dies stoppen wollten, sind auch die einzigen, die bestätigen, dass sie diesbezüglich gescheitert sind.
Bei «Keine höheren Benzinpreise» ist der Fall klar: Versagt auf der ganzen Linie. Wobei jetzt nicht klar ist, wie die SVP die Weltmärkte hätte beeinflussen wollen – sagen wir unentschieden. Dann sollte noch die Schweiz die Schweiz bleiben und die EU-Unterwerfung verhindert werden. Hier würde ich sagen: Moll, glaub die Schweiz ist die Schweiz. Die EU hat auch nichts zu melden, aber auch hier gilt: Wie machen die das bloss?
Die SVP ist auch die einzige Partei, die nicht ihre alten, leeren Versprechen rezykliert. Lange sah es auch nach nur einem Thema aus: Ein Eritreer, ein Rumäne, ein Kosovare, Asylsuchende, noch mehr Asylsuchende, ein Asylsuchender, ein Serbe, noch ein Eritreer, ein Algerier und eine Frau stechen zu.
Zum Glück gibt es seit dieser Woche das SVP-Extrablatt und wir wissen: Die SVP fordert ausserdem weniger «Genderwahn», mehr Sicherheit, weniger Zuwanderung und mehr einheimische Nahrungsmittel. Also zumindest teilweise völlig neue Ansätze und Ansätzinnen, bei gleichzeitigem Ignorieren des eigenen Misserfolgs.
Sie haben die Wahl
Wem soll man also am 22. Oktober, bei den nationalen Wahlen 2023, seine Stimme geben? Denjenigen, die einen aussichtslosen Kampf führen für die immergleichen Anliegen wie weiland Don Quixote gegen die Windmühlen? Denjenigen, die schon von Beginn weg erfüllte Forderungen aufstellen? Denjenigen, die Probleme lösen wollen, von denen wir davor gar nicht wussten, dass wir sie hatten?
Ich sag Ihnen was: Wählen Sie meine Partei, die ich schon morgen gründen werde. Wir fordern Gesundheitskosten, die keine sind. Wir kämpfen für den Weiterbestand des blauen Himmels, der doch insbesondere bei schönem Wetter und tagsüber für die Bevölkerung immer wichtiger wird. Ausserdem darf die Schweiz nie und nimmer gemeinsame Militärübungen mit Russland und Nordkorea durchführen – diese gefährliche Entwicklung gilt es sofort zu stoppen!
Wer wollte da dagegen sein?