Wahlen 2023: Was bringen politische Standaktionen im Wahlkampf?
Höhere Temperaturen und das Ende der Pandemie bescheren politischen Standaktionen ein Comeback. Wie viel bringt dieses Instrument? Ein Experte ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem Frühlingsbeginn erleben hierzulande auch politische Standaktionen ein Comeback.
- Für Adis Merdzanovic gehören dieselben zur DNA der direkten Demokratie in der Schweiz.
- Sie könnten insbesondere als Mobilisierungsmassnahme eine gewisse Wirkung entfalten.
In unseren Breitengraden hält der Frühling langsam aber sicher Einzug. Damit steigt nicht nur das Thermometer, auch Standaktionen für Wahl- und Abstimmungskampagnen scheinen ein grosses Comeback zu erleben: In den Strassen der Schweizer Städte verteilen übermotivierte Studenten und fleissige Politiker eifrig Flyer und skandieren Wahlparolen.
Auf den ersten Blick mutet dieses Instrument zur Gewinnung von Wählerstimmen aber etwas altbacken an: Aus diesem Grund hat Nau.ch bei einem Experten nachgefragt: Erleben Standaktionen tatsächlich ihr grosses Comeback nach der Corona-Pandemie? Und wie viel bringen solche Aktionen in Wahl- und Abstimmungskampagnen wirklich?
Unklare Datenlage über Art und Kadenz von Standaktionen
Auf Anfrage erklärt Adis Merdzanovic von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW): «Es ist grundsätzlich schwierig abzuschätzen, ob es derzeit mehr oder weniger Standaktionen gibt, als vor der Corona-Pandemie.» Da entsprechende Aktionen in der Regel auf lokaler Ebene bewilligt würden, gebe es bedauerlicherweise keine schweizweite Übersicht.
Gleichzeitig ist Merdzanovic überzeugt, dass seit dem Ende der Corona-Pandemie ein gewisses Wiedererstarken der Standaktion als politische Mobilisierungsmassnahme festzustellen sei: «Dies ist nicht weiter erstaunlich, zumal solche Aktionen durch die geltenden Restriktionen teilweise erheblich erschwert wurden.» In diesem Zusammenhang spricht der Experte folglich von einer «Normalisierung».
Strategischer Einsatz von Standaktionen im Wahljahr
Ferner müsse man bedenken, dass sich die Schweiz derzeit in einem Wahljahr befinde: Entsprechend würden Parteien die Abstimmungen auch strategisch nutzen, um näher an der Bevölkerung zu sein und bestimmte Themen zu besetzen. «Gewisse Parteien lancieren Initiativen und sammeln dann Unterschriften dafür. Andere sind in Abstimmungskämpfen besonders engagiert und wollen ‹auf der Strasse› präsent sein.» Diese Faktoren könnten tatsächlich zu einer Zunahme geführt haben, so Merdzanovic.
Standaktionen seien wichtig, um Unterschriften für politische Vorstösse zu sammeln und stellten überdies ein probates Mittel im Abstimmungskampf dar. Dabei verweist der Experte auf die zwei grundsätzlichen Zielsetzungen in einem Abstimmungskampf: Einerseits gehe es darum, Personen von der eigenen Parole zu überzeugen.
«Dies ist aber nur ein kleiner Teil, da es schwierig ist, Menschen dazu zu bringen, ihre eigenen Meinungen zu ändern.» Das sei insbesondere bei kontroversen Vorlagen zutreffend: Bei diesen hätte ein Grossteil der Stimmbevölkerung bereits vor der Abstimmungskampagne eine grundsätzliche Haltung.
Standaktionen als Mobilisierungsmassnahme für die Wahlen 2023
Deshalb gehe es bei Abstimmungskampagnen vornehmlich auch darum, Gleichgesinnte dazu zu bewegen, an die Urne zu gehen: Dieser Mobilisierungeffekt sei einfacher und effektiver zu erreichen, so Merdzanovic.
Insgesamt würden sich Standaktionen aus diesen Gründen lohnen: «Sie weisen auf Abstimmungen hin und können die Leute durchaus dazu bewegen, an der Abstimmung teilzunehmen.» Zwar sei der tatsächliche Effekt von Standaktionen kaum untersucht – dies sei auf die bereits erwähnte, unklare Datenlage zurückzuführen. Trotzdem gehörten Standaktionen zur «DNA der direkten Demokratie» der Schweizer Eidgenossenschaft.