Was würde bei einer Umsetzung der 99%-Initiative geschehen?
Die 99%-Initiative ist für das Nein-Lager zu offen formuliert. Das sei genau der Punkt, argumentiert die Juso. Das Parlament hätte die Umsetzung in der Hand.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 26. September stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die 99%-Initiative ab.
- Weil die Juso viele Kernelemente im Text offen gelassen hat, raten Bürgerliche zum Nein.
- Erstere finden das unproblematisch. Das Parlament könne dann entscheiden.
«Ich lehne die 99%-Initiative klar ab», teilt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy in einem Video auf Twitter mit. Das Begehren der Jungsozialisten sei «viel zu offen formuliert», gebe dem Parlament «einen grossen Spielraum bei der Umsetzung».
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— Die Mitte – Le Centre (@Mitte_Centre) August 23, 2021
💬 Unser Fraktionspräsident @pmbregy lehnt die 99%-Initiative am 26. September klar ab und erklärt uns im Video seine Argumente! @Neinzu99prozent @ZSichern #Politik #DieMitte pic.twitter.com/33fL2twGTp
Diese Kritik ertönt schon seit einiger Zeit aus dem Nein-Lager. Die Jungsozialisten halten dagegen: Das sei genau der Sinn einer Volksinitiative, argumentieren sie. Die Schweiz stimme über den Grundsatz der Kapitaleinkommensbesteuerung ab; die Einzelheiten müssten in einem Gesetzestext vom Parlament abgeklärt werden.
Doch wieso sträuben sich gewählte, bürgerliche Volksvertretende, eine Initiative mehr oder weniger nach ihrem Geschmack umzusetzen? Für Juso-Vizepräsident Nicola Siegrist ist der Fall klar: «Die Kritik am Initiativtext zeigt, dass den Nein-Komitees die Argumente ausgehen.» Zudem komme sie immer wieder – «egal, wie die Initiative aussieht».
Parlament müsste bei 99%-Initiative noch viel debattieren
Die Juso ist sich bewusst, dass noch viele Aspekte ungeklärt sind. Siegrist zählt auf: Die Besteuerung von Ehepaaren zum Beispiel. Oder wie viel der Mehreinnahmen durch die 99%-Initiative anschliessend in welche Bereiche hinfliessen würden. Zudem müsste das Parlament im unwahrscheinlichen Falle eines Ja sicherstellen, dass das Gesetz wirklich nur «das reichste 1% trifft».
Die Jungpartei hat dafür eine Schwelle von 100'000 Franken Kapitaleinkommen im Jahr vorgeschlagen. Sie geht aber davon aus, dass das bürgerlich geprägte Parlament eine höhere Summe definieren würde. «Die offiziellen Dokumente des Komitees müssen aber vom Parlament bei der Umsetzung berücksichtigt werden», sagt Siegrist.
FDP will mehr Definitionen
Ganz so einfach wäre die Arbeit des Parlaments aber nicht. Auf Anfrage erklärt FDP-Ständerat Damian Müller, die Offenheit der 99%-Initiative sei «demokratiepolitisch höchst problematisch». Die «zentralen Elemente» der Initiative seien undefiniert. Gleichzeitig aber hätten die Initianten «Richtlinien» aufgestellt, «was unter den Begriffen zu subsumieren sei».
Konkret stört sich der Luzerner aber am Begriff «Kapitaleinkommen»: «Es müsste allein für diese Initiative ein neuer Begriff geschaffen und eingeführt werden.» Denn «Kapitaleinkommen» existiere so in der aktuellen Gesetzgebung nicht. Müller erwartet, dass die Debatte rund um die Definition hart werden könnte.
Allgemein will das Nein-Komitee gar nicht darüber reden, wie die 99%-Initiative im – für sie – schlimmsten Fall umzusetzen wäre. Laut Müller treffe das Volksbegehren «weit mehr als das propagierte 1%» und gehöre deswegen abgelehnt. Seine Parteipräsidentin Petra Gössi sieht es ähnlich.
Die Argumentation des Initiativkomitees sei «bequem»: «Man kann keine Kampagne führen, indem man sich bei allen kritischen Punkten hinter dem Parlament und einer angeblich ‹sanften› Umsetzung versteckt.» Für die Schwyzerin ist die 99%-Initiative zudem verfassungswidrig.
«Die unverhältnismässig hohe Besteuerung zu 150% von bestimmten Einkommensteilen» widerspreche dem «Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit». Eine Annahme der Initiative wäre also ein klarer Bruch mit der laut Gössi erfolgreichen Steuerpolitik der Schweiz.