Wo liegt das Problem beim Stimmrechtsalter 16?

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Der Nationalrat beerdigt nach fünf Jahren Debatte das Stimmrechtsalter 16. Die Gründe dafür scheinen bubieinfach. Ein Kommentar.

00:00 / 00:00

Die Debatte zum Stimmrechtsalter 16 war gespickt mit zahlreichen anschaulichen Beispielen. - Das Schweizerische Parlament

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Nationalrat spricht sich nach dreimal Ja nun doch gegen Stimmrechtsalter 16 aus.
  • Der Vorstoss drehte bereits seit fünf Jahren seine Runden im Parlament.
  • Das Hin und Her hatte komödiantisches Potenzial. Ein Kommentar.

Der Nationalrat kippt Stimmrechtsalter 16 nach der nun bereits vierten Debatte endgültig aus den Traktanden. 16- und 17-Jährige seien noch zu wenig reif, um bei gewichtigen Entscheiden mitreden zu können. Den tadelnden Blick über den Rand der Lesebrille konnte man sich dazu denken.

Fünf Jahre «Nein!», «Doch!» und retour

Den Vorstoss eingereicht hat vor mittlerweile fast fünf Jahren Nationalrätin Sibel Arslan (GPS/BS). Dass der Entscheid derart lange auf sich warten liess, hat damit zu tun, dass Nationalrat und zuständige Kommission fast schon komödiantisches Talent an den Tag legen. Das werden jetzt 16- und 17-Jährige nicht wirklich verstehen, weil sie sich nicht an die Filme mit Louis de Funès aus den 60er- und 70er-Jahren erinnern. Hier folgt jetzt ein tadelnder Blick über den Rand der Lesebrille – Kulturbanausen!

Unterstützen Sie das Stimmrechtsalter 16?

Es war ein jahrelanges «Nein!», «Doch!», «Oh!» (um Monsieur de Funès und seine Sparringspartner zu zitieren).

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) empfahl im Juli 2020 ein Nein zum Vorstoss. Drei Monate später überstimmte sie der Nationalrat und beauftragte die Kommission, eine Vorlage auszuarbeiten. Die SPK brauchte bis Januar 2022, um zu entscheiden, dass «Hm, nö, wollen wir, glaub, nicht», der Vorstoss abzuschreiben sei.

Louis de Funès Balduin
Als Schwarz-Weiss-Denken noch opportun und «Gender» ein Fremdwort waren: Der Nein-Doch-Oh-Mann / Star-Komiker Louis de Funès im Film «Balduin, der Schrecken von St. Tropez» von 1970. - keystone

Vom Abschreiben mögen 16-Jährige ja eine Ahnung haben. Aber ein abgeschriebener Vorstoss ist vom Tisch und kommt auch nicht mehr hervor, wenn der Lehrer alle Spickzettel beschlagnahmt. Wieder zwei Monate später stimmte der Nationalrat erneut dafür, dass, «Doch, doch», die SPK eine Vorlage ausarbeiten müsse. Worauf sich diese sofort an die Arbeit machte und schon im Mai 2022 beschloss: Abschreiben!

Täglich grüsst ein Film von 1993

Also die ganze Übung noch einmal, womit sich einige Parlamentarier bereits an eine andere Komödie erinnert fühlten: «Und täglich grüsst das Murmeltier». Im Juni sagte der Nationalrat wieder «Doch», Anfang Februar die Kommission wieder «Nein». Und gestern der neu zusammengesetzte Nationalrat ebenfalls «Nein», worauf Sibel Arslan und ihre Mitstreiter wohl ausriefen: «Oh!»

Grüne Stimmrechtsalter 16
Die Grünen bedauern das Nein zum Stimmrechtsalter 16 auf X (vormals Twitter) und nutzen gleich die Gelegenheit zur Mitgliederwerbung. - Screenshot X / @GrueneCH

Wirklich überrascht dürften die Befürworter des Stimmrechtsalters 16 aber nicht gewesen sein. Die Grünen hatten jedenfalls bereits einen Tweet bereit, oder, wie 16-Jährige heute sagen: einen Post auf «X». Erst noch mit einem Meme, bei dem nur die Gen Z drauskommt. Dass der Vorstoss für Stimmrechtalter 16 scheiterte, dürfte indes mit der etwas wackeligen Argumentationskette zu tun haben.

Vorbildfunktion für Erich Hess

So wurde kritisiert, dass dann 16-Jährige zwar stimmen dürften, obwohl sie noch gar nicht mündig seien. Oder im Umkehrschluss von Erich Hess (SVP/BE): Harten Alkohol zu kaufen, wäre verboten, aber «viel schädlichere Entscheidungen» zu treffen, wäre erlaubt, zum Beispiel, die Grünen zu wählen.

Es ist sicher richtig, wie Sibel Arslan in ihrer Begründung schreibt, dass die Jungen ja eine immer höhere Lebenserwartung hätten und deshalb über ihre Zukunft mitentscheiden können sollten. Was sie ja dann aber, dank hoher Lebenserwartung, auch viel länger tun können, zum grossen Ärger der Teenager im Jahr 2104.

Sibel Arslan Erich Hess
Sie waren noch so jung – oder zumindest jünger: Nationalrätin Sibel Arslan (GPS/BS) und Nationalrat Erich Hess (SVP/BE) während der Herbstsession im September 2019 - keystone

Mit ein Grund fürs Scheitern des Vorstosses mit 22 Stimmen Unterschied dürfte aber auch sein: Acht der 13 Mitunterzeichnenden von 2019 aus fast allen Parteien sind mittlerweile gar nicht mehr im Rat. Sechs sind zurückgetreten und zwei wurden abgewählt. Sie sind sozusagen mit gutem Beispiel vorangegangen und haben jungen Talenten Platz gemacht.

So bleibt die Hoffnung, dass die Gegner von Stimmrechtsalter 16 diesen Kompromiss weitertragen werden und auch beizeiten ihre Sessel räumen. Obschon SVPler Erich Hess mit knapp 43 Jahren fast noch etwas jung ist, aber er ist ja immerhin auch schon seit über acht Jahren im Amt. An den jetzt folgenden tadelnden Blick über den Brillenrand kann man sich gewöhnen.

Mehr zum Thema:

Kommentare

User #5961 (nicht angemeldet)

Ich habe selten einen derart lächerlichen und wirren Kommentar gelesen. Da ist soviel Abstruses enthalten, dass ich keine Lust habe, darauf einzugehen.

User #1420 (nicht angemeldet)

Zu jung und sensibel für Schulnoten, aber an der Urne abstimmen...... Ja ne, is klar! Genau mein Humor!

Weiterlesen

1 Interaktionen
nationalrat
94 Interaktionen
Miva
6 Interaktionen

Mehr aus Stadt Bern

Seitensprung, Betrug, Sternzeichen
135 Interaktionen
Symbolbild Tierschutz
44 Interaktionen
Führungskraft Weiterbildung
12 Interaktionen