Zivis sollen bei Personalnot den Zivilschutz verstärken
Der Ständerat hat beschlossen, dass Zivildienstpflichtige im Zivilschutz eingesetzt werden sollen. Dem Entscheid ging eine engagierte Debatte voraus.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine neue Vorlage soll den Personalmangel im Zivilschutz bekämpfen.
- Auch Zivildienstpflichtige sollen in diesem Bereich zum Einsatz kommen können.
- Ständerat Mathias Zopfi kritisiert: «Zivildienstleistende werden geringgeschätzt.»
Hat der Zivilschutz zu wenig Personal, sollen Zivildienstpflichtige einen Teil ihres Dienstes beim Zivilschutz leisten müssen. Ebenso sollen mehr ehemalige Armeeangehörige Zivilschützer werden. Das hat der Ständerat am Mittwoch beschlossen.
Mit 33 zu 9 Stimmen und ohne Enthaltung sagte er am Mittwoch Ja zu Änderungen im Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz (BZG). Die Nein-Stimmen kamen von SP und Grünen. «Der Zivilschutz, dessen zu tiefem Bestand man auch anders begegnen könnte, wird jetzt einfach zu Lasten der Zivildienstleistenden verstärkt», sagt Grünen-Ständerat Mathias Zopfi. «Das finde ich nicht in Ordnung.»
Der Bundesrat begründet die Anträge mit den Personal-Unterbeständen beim Zivilschutz und dessen Aufgaben in Notlagen und bei Katastrophen. Die landesweite Zielgrösse liegt bei 72'000 Zivilschützern. Anfang 2024 lag der Ist-Bestand bei 60'000. Bis 2030 könnten es laut Bundesrat noch rund 50'000 sein.
Links-Grün befürchtet Schwächung des Zivildiensts
Zu reden gab im Rat, dass Zivis bis zu achtzig Diensttage beim Zivilschutz leisten können, falls dieser zu wenig Personal hat. Zivilschutzorganisationen sollen als Zivildienst-Einsatzbetrieb anerkannt werden.
Franziska Roth (SP/SO) kritisierte, das zwangsweise Herausreissen von Zivis aus Einsätzen in Heimen oder an Schulen ginge auf Kosten des Zivildienstes. Die Bestandsprobleme beim Zivilschutz, die im Übrigen durch die Verkürzung der Schutzdienstpflicht entstanden seien, könnten durch interne Massnahmen behoben werden.
Mathias Zopfi (Grüne/GL) nannte die Verknüpfung der beiden Organisationen unnötig. Der Zivildienst würde geschwächt: «Mein Eindruck ist halt schon, dass man die Zivildienstleistenden geringschätzt.» Für den Katastrophenfall gebe es Bestimmungen, die Schutzdienstpflicht zu verlängern oder auszudehnen. «Wir haben Möglichkeiten für den Ereignisfall.»
Bürgerliche verteidigen Änderung
Werner Salzmann (SVP/BE) entgegnete, es gebe «sehr weit hergeholte» Zivildienst-Einsätze, etwa beim Zählen von Vögeln. Die Kantone seien für die Änderung, «im Interesse der Sicherheit». Der Zivilschutz habe eine humanitäre Aufgabe, und Einsatzkräfte müssten vorgängig geschult werden, sagte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU).
«Im Zivilschutz haben wir einen extremen Unterbestand», sagt Gmür-Schönenberger gegenüber Nau.ch. «Es geht wie überall um unsere Sicherheit und unsere Verteidigungsfähigkeit.»
Zivildienstler im Zivilschutz-WK: Einsatz bei Sportveranstaltungen
Zivildienstler dürfen nur zum Zivilschutz geschickt werden, wenn der Zivilschutz alle Mittel ausgeschöpft hat, um genügend Personal zu bekommen. Wer einen Teil des Zivildienstes im Zivilschutz leistet, muss mindestens die reguläre Grundausbildung des Zivilschutzes absolvieren und kann bei Ereignissen aufgeboten werden.
Aber: «Nicht nur im Ereignisfall», kritisiert Ständerat Zopfi, «sondern auch normaler WK-Einsatz bei einer Sportveranstaltung zum Beispiel.» Er unterstütze es ja, dass der Zivilschutz bei Sportveranstaltungen helfe, stellt Zopfi klar. «Aber man kann nicht mit Katastrophen argumentieren, wenn Zivildienstleistende – die ja auch gebraucht werden in Spitälern oder Schulen – dann braucht, um Tribünen aufzustellen.»
Längere Zivilschutzpflicht abgelehnt
Minderheitsanträge von Roth, die Zahl der Zivis beim Zivilschutz auf 200 pro Jahr zu beschränken und eine längere Vorlaufzeit für die Einteilung beim Zivilschutz vorzusehen, lehnte der Rat ab.
Ebenso will der Ständerat nicht, dass Zivilschutzorganisationen für den Einsatz von Zivis eine Abgabe leisten müssen. Auch eine Möglichkeit für den Bundesrat, die Schutzdienstpflicht beim Zivilschutz statt auf bis 14 auf maximal 18 Jahre zu erhöhen, wenn Personal beim Zivilschutz fehlt, lehnte er ab.
Ausserdem sollen mehr ehemalige Armeeangehörige zum Zivilschutz umgeteilt werden können. Diesem Teil der Vorlage stimmte der Ständerat mit 38 zu 0 Stimmen und ohne Enthaltung zu. Neu wird Zivilschützer, wer militärdienstpflichtig ist und bis zum 25. Geburtstag die Rekrutenschule (RS) nicht absolviert hat.
Ausgleich unter den Kantonen
Auch wer nach dem Absolvieren der RS dienstuntauglich wird, soll neu Schutzdienst leisten. Dies unter der Voraussetzung, dass noch mindestens achtzig Diensttage zu leisten sind.
Auch beim Wohnsitzprinzip will der Bundesrat ansetzen. Zivilschützer sollen, wenn in ihrem Wohnkanton ein Überbestand herrscht, für ihren Dienst in einen anderen Kanton geschickt werden können, wenn es dort zu wenige Zivilschützerinnen und Zivilschützer gibt.
Der Bundesrat hat die Vorlage in zwei Teile geteilt. Die Idee dahinter: Wird gegen die in der Vernehmlassung umstrittene Umteilung der Zivis zum Zivilschutz das Referendum ergriffen, sollen die nicht umstrittenen Teile nicht verzögert in Kraft treten oder gar scheitern. Die zweiteilige Vorlage geht nun an den Nationalrat.