AfD erhält FPÖ-«Boost» – aber «Brandmauer» fällt wohl nicht
Dank der ÖVP könnte die FPÖ in Österreich nun also doch regieren. Die AfD will den Schwung mitnehmen – allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Ländern.
Das Wichtigste in Kürze
- Herbert Kickl, Parteichef der rechtsextremen FPÖ, wird wohl bald Österreichs Kanzler.
- Die AfD dürfte im deutschen Wahlkampf einen Kickl-Boost spüren, sagt ein Experte.
- Ob das FPÖ-Schema auch in Deutschland funktioniere, sei jedoch fraglich.
Das «Zuckerl», die Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos, ist gescheitert. Nun scheint der Weg in Österreich für Herbert Kickl frei zu sein. Der FPÖ-Chef könnte bald Kanzler werden, falls es zwischen der ÖVP und seiner Partei eine Einigung gibt.
Eigentlich wäre das nichts als logisch. Denn die FPÖ hat die Wahlen im Alpenland gewonnen. Dennoch sah es lange nicht nach einem Kanzler Kickl aus. Die anderen Parteien – inklusive ÖVP notabene – schlossen eine Koalition mit der Rechten zunächst aus.
Nur weil sich ÖVP, SPÖ und Neos nicht auf eine sogenannte «Zuckerl»-Koalition einigen konnten, ist Kickl wieder im Spiel.
Eine Frage drängt sich aufgrund der Entwicklung in Österreich fast schon von selbst auf: Ist das Land der Berge und der Dome nun ein Vorbild für Deutschland? Könnte in letzter Konsequenz die AfD profitieren und gar ebenfalls regieren?
Experte: «Deutschland ist nicht Österreich»
Lars Rensmann von der deutschen Universität Passau sagt gegenüber Nau.ch: Die mögliche FPÖ-Regierung sowie das Comeback von Donald Trump bedeuten für die AfD «ohne Frage einen Boost». Es nütze der AfD, dass eine Partei, die «ebenso sehr mit dem liberalen demokratischen Verfassungsstaat Probleme hat», im Nachbarland regiere.
Gleichzeitig muss man sagen, dass die AfD in Umfragen nicht die gleichen Werte aufweist, wie die Wahlsiegerin FPÖ. Das bestätigt auch Politikwissenschafter Rensmann: «Deutschland ist nicht Österreich, und nur im Osten ist die AfD teils die stärkste politische Kraft.»
Die FPÖ war zudem schon zuvor Teil von Regierungen – lediglich einen Kanzler stellte man noch nicht. Im Falle der AfD ist eine solche Regierungsbeteiligung vor allem wegen der anderen Parteien schwer vorstellbar. Die sogenannte «Brandmauer» gegen rechts scheint immer noch stabil zu sein.
«Koalition mit AfD wäre politischer Selbstmord»
Rensmann sagt dazu: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass in absehbarer Zeit diese Brandmauer in Deutschland bricht. Schon gar nicht auf Bundesebene.» Die AfD habe sich in den letzten zehn Jahren weiter radikalisiert. «In Deutschland wäre eine Koalition mit der AfD politischer Selbstmord», so der Experte.
Wobei auch die ÖVP mit dem rechten Schulterschluss ein Eigentor erzielen könnte, fügt Rensmann an. «Die Volkspartei wird sich selbst politisch schrumpfen. Denn wer ÖVP gewählt hat, hat gerade nicht die FPÖ gewählt.»
Aus der Sicht des Experten ist es «sehr überraschend», dass es nun eine ÖVP-FPÖ-Regierung geben könnte.
Erstens, weil die ÖVP zuvor eine Unterstützung von Kanzler Kickl ausgeschlossen hat. Zweitens, weil ÖVP und SPÖ in den Verhandlungen eigentlich schon weit fortgeschritten waren.
Und drittens, weil die ÖVP auf eine Regierungsführung verzichtet, um der kleinere Partner zu werden. «Dies auch noch als Teil eines Experiments mit der illiberalen, autoritären FPÖ», wie Rensmann ausführt.
Von einem taktischen Move der ÖVP geht der Politikwissenschaftler nicht aus – eher von einer Art Machtkampf. Letztlich habe sich innerhalb der Partei der wirtschaftsliberale Flügel um Ex-Kanzler Sebastian Kurz durchgesetzt.
AfD in Umfragen auf Platz zwei
Klar ist: Die Parteienlandschaften in der europäischen Politik befinden sich aktuell im Wandel. «Wir erleben derzeit massive autoritäre Erschütterungen der politischen Parteienkonkurrenz», so Rensmann.
Entsprechend sei es möglich, dass sich der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich dereinst abschwächt. So wäre in der ferneren Zukunft dann vielleicht auch die AfD einmal Regierungspartei.
Die Bundestagswahl findet am 23. Februar statt. Aktuell liegt die CDU/CSU in Umfragen vorne, die AfD liegt auf Platz zwei. Erst dahinter folgen die Parteien der bisherigen Ampel-Regierung sowie das Bündnis Sahra Wagenknecht.