Algerische Richter wollen Präsidentschaftswahl nicht beaufsichtigen
In Algerien hat sich eine einflussreiche Richtervereinigung auf die Seite der Demonstranten gestellt.
Das Wichtigste in Kürze
- Proteste vor Justizministerium in Algier.
Der Richterverein kündigte am Samstag an, die Präsidentschaftswahl am 4. Juli nicht zu beaufsichtigen. Mehr als hundert Richter protestierten in ihren Roben vor dem Justizministerium in Algier. «Der Richterverein hat entschieden, die Beaufsichtigung der Präsidentschaftswahl zu boykottieren», sagte der Ermittlungsrichter Saad Eddine Merzoug aus der Stadt El Oued.
Die Richter spielen bei Wahlen in Algerien eine wichtige Rolle. Sie überprüfen unter anderem das Wählerverzeichnis, ein häufiger Streitpunkt zwischen Regierung und Opposition. Ab Dienstag soll das Wählerverzeichnis für die Präsidentschaftswahl kontrolliert werden.
Nach dem von Massenprotesten erzwungenen Rücktritt des langjährigen algerischen Präsident Abdelaziz Bouteflika hatte sein Interimsnachfolger Abdelkader Bensalah am Mittwoch den Wahltermin auf den 4. Juli festgelegt und «transparente» Wahlen angekündigt. Die Massenproteste gingen aber weiter und richten sich mittlerweile gegen die gesamte algerische Führungselite.
Bei einer Grossdemonstration am Freitag, an der sich erneut tausende Menschen beteiligt hatten, war es erstmals zu grösseren Zusammenstössen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Als die Sicherheitskräfte versuchten, die Menge vor dem alten Postgebäude in Algier auseinanderzutreiben, warfen Demonstranten mit Steinen und Flaschen und verbarrikadierten sich hinter Mülltonnen. Mindestens ein Polizeiauto wurde in Brand gesteckt. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Nach Angaben der Sicherheitsbehörden wurde 83 Polizisten verletzt. Auch mehrere Demonstranten wurden verletzt. Wie ein AFP-Fotograf berichtete, wurde mindestens ein Demonstrant offenbar von einem Gummigeschoss getroffen. Die Polizei nahm 108 Menschen fest.
Aktivisten befürchten nun, dass die Proteste nicht so friedlich bleiben werden wie bisher. Das «Ausmass der Repression» sei bei der Demonstration am Freitag grösser gewesen als zuvor, sagte der Vizepräsident der algerischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte, Said Salhi.
Der Politikwissenschaftler Cherif Driss sagte, die Polizei beginne offenbar damit, den «öffentlichen Raum für Meinungsäusserungen» einzuschränken. Der Polizeieinsatz am Freitag sei aber immer noch «moderat und professionell» gewesen und habe sich weitgehend auf Tränengas und Wasserwerfer beschränkt, sagte Driss. Eine «brutale» Niederschlagung der Proteste gebe es noch nicht.