Beinprothese kommuniziert dank neuer Schnittstelle ans Gehirn
Ein internationales Forschungsteam unter Zürcher und Lausanner Leitung hat eine neuartige Schnittstelle zwischen Beinprothesen und Oberschenkel entwickelt, die Empfindungen ans Gehirn vermittelt. Zwei Probanden konnten dadurch leichter gehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine neue Schnittstelle zwischen Beinprothese und Nervensystem vermittelt dem Prothesenträger Informationen über Position und Bewegung des künstlichen Beins.
Erste Versuche mit zwei Probanden lieferten vielversprechende Ergebnisse, wie das internationale Forschungsteam unter Leitung der ETH Zürich und des Lausanner Start-Ups Sensars im Fachblatt «Nature Medicine» berichtet. Dank der sensorischen Rückmeldung verliessen sich die beiden Probanden mehr auf die Prothese und konnten sich mit weniger Anstrengung fortbewegen.
Für die dreimonatige Studie implantierte ein Chirurg am Klinischen Zentrum von Serbien in Belgrad winzige Elektroden im Oberschenkel der beiden Prothesenträger. Sensoren an der Fusssohle und dem Kniegelenk der Prothese zeichneten Druck und Bewegung auf, die mithilfe von eigens entwickelten Algorithmen in Stromimpulse umgewandelt wurden, die «Sprache des Nervensystems», wie die ETH schrieb.
Die Elektroden leiteten diese Impulse an die Nerven weiter, diese übermitteln sie wiederum ans Gehirn. Ziel war, das sensorische Neurofeedback zumindest ansatzweise wieder herzustellen, das Menschen mit intakten Beinen spüren.
Dank der Rückmeldung von der Prothese über Druck von der Sohle und Bewegung des Kniegelenks konnten die beiden Probanden mit weniger Anstrengung gehen und mussten sich weniger darauf konzentrieren, wie ihr Sauerstoffverbrauch und ihre Hirnaktivität zeigten. Auch bei der Aufgabe, über Sand zu gehen, kamen die Probanden schneller voran. Auf Nachfrage gaben die beiden Prothesenträger an, das Neurofeedback habe ihr Vertrauen in das künstliche Bein erhöht.
Mithilfe einer einmonatigen Neurostimulations-Therapie gelang es den Forschenden zudem, die Probanden in einem Fall teils, im anderen gänzlich von Phantomschmerz zu befreien, schrieb die ETH weiter. «Der Zeh, den ich nicht habe, tat mir weh - mein grosser Zeh, mein Fuss, meine Ferse, mein Knöchel und meine Wade, alles schmerzte, und dabei habe ich das alles gar nicht mehr», liess sich der eine Proband, Savo Panic, in der Mitteilung zitieren. Vor Beginn der Studie sei er oft wegen Phantomschmerzen aufgewacht. Seitdem er mit der Neurostimulation begonnen habe, habe er keine mehr.
«Unsere Machbarkeitsstudie zeigt, wie vorteilhaft es für die Gesundheit von Beinamputierten ist, eine Prothese zu haben, die mit neuronalen Implantaten arbeitet, um das sensorische Feedback wiederherzustellen», sagte Stanisa Raspopovic von der ETH Zürich.
Für den Einsatz im klinischen Alltag bedarf es jedoch noch weiterer Entwicklungen und Studien. Im Rahmen der nun vorgestellten Studie gelangten die Signale der Prothese noch über Kabel durch die Haut an die Elektroden im Oberschenkel, was regelmässige medizinische Untersuchungen nötig machte. In Zukunft wollen die Forschenden ein drahtloses Neurostimulationsgerät entwickeln, das sich vollständig implantieren lässt. Das System müsse ausserdem an einer grösseren Anzahl Patienten und über längere Zeiträume getestet werden.