Boris Johnson attackiert Theresa Mays Brexit Pläne

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Grossbritannien,

Bei seiner Parteitagsrede greift Boris Johnson die Pläne von Theresa May für den EU-Ausstieg an. Den Sturz der Premierministerin will er aber nicht – vorerst.

Boris Johnson, ehemaliger Aussenminister von Grossbritannien, spricht auf dem Parteitag der Konservativen Partei.
Boris Johnson, ehemaliger Aussenminister von Grossbritannien, spricht auf dem Parteitag der Konservativen Partei. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Boris Johnson griff am Parteitag der Konservativen Theresa Mays Brexit-Pläne an.
  • Dennoch forderte er keinen Rücktritt von ihr.
  • Er rief dazu auf, May dabei zu «unterstützen», von ihren Brexit-Plänen Abstand zu nehmen.

Der britische Ex-Aussenminister Boris Johnson hat seinen Auftritt beim Parteitag der Konservativen am Dienstag für einen Angriff auf die Brexit-Pläne von Premierministerin Theresa May genutzt. Der sogenannte Chequers-Deal sei ein «Betrug» und solle verworfen werden, forderte Johnson unter grossem Beifall der etwa 1000 Zuhörer in Birmingham.

Einen Rücktritt der Regierungschefin forderte er aber nicht. Er rief stattdessen die Parteimitglieder auf, May dabei zu «unterstützen», von ihren Brexit-Plänen Abstand zu nehmen.

Der Putsch wird verschoben

Seine Rede wurde im Vorfeld als Herausforderung an May gehandelt. Zuletzt hatte es wachsende Spekulationen gegeben, Johnson wolle selbst nach dem Amt des Regierungschefs greifen. Doch die Stimmung auf der Parteikonferenz schien sich nicht seinen Gunsten zu entwickeln. Selbst sein Vater spielte die Ambitionen des Ex-Aussenministers herunter. «Ich glaube nicht, dass es um die Führung ging», sagte Stanley Johnson der Deutschen Presse-Agentur nach der Rede.

Johnson nutze seine Rede auch für einen Angriff auf die Labour-Opposition und warnte eindringlich vor einer möglichen Regierung unter Labour-Chef Jeremy Corbyn. Immer wieder fuhr er sich mit seiner Hand durch sein blondes Wuschelhaar – das Kennzeichen des 54-jährigen Politikers. Regierungschefin May will sich am Mittwoch zum Abschluss des Parteitags an die Delegierten und Mitglieder wenden.

Klarer Bruch von der EU gefordert

Johnson war im Juli im Streit um den Chequers-Deal von seinem Posten als Aussenminister zurückgetreten. Er hatte bereits zum Auftakt des Parteitags am Sonntag die Brexit-Pläne von May heftig kritisiert. In der «Sunday Times» nannte er die Vorhaben ein Ergebnis «geistiger Verwirrung». Johnson und andere Brexit-Hardliner fordern einen klaren Bruch mit Brüssel.

May will eine Freihandelszone mit der Europäischen Union für Waren, aber nicht für Dienstleistungen wie Bankgeschäfte. Dafür soll sich Grossbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des EU-Binnenmarkts halten. Zollkontrollen am Ärmelkanal und zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System von gegenseitigen Absprachen verhindert werden.

Johnson lehnt das als Vasallenstatus ab. Auch der bisherige Notfallplan, um Zollkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu verhindern, solle aufgegeben werden, verlangte er am Dienstag. Der Plan sieht vor, Nordirland, anders als den Rest des Vereinigten Königreichs, in einer engen Bindung mit der EU zu belassen.

Kein zweites Brexit-Referendum

Johnson warnte zudem eindringlich vor einem zweiten Brexit-Referendum. Die Forderung danach sei «infam». Auch die Idee, die Loslösung von Brüssel schrittweise zu gestalten, sei ein Trugschluss. Der klare Bruch mit Brüssel müsse sofort vollzogen werden, sagte der Ex-Aussenminister. Grossbritannien will am 29. März 2019 die Europäische Union verlassen. Die Gespräche zwischen London und Brüssel kommen aber nicht voran.

Sicherheitsverschärfungen

Nur Stunden vor Johnsons Rede am Dienstag hatte May Pläne für eine neue Einwanderungspolitik nach dem Brexit präsentiert. London will die Zahl der Einwanderer massiv senken. EU-Bürger sollen demnach nicht mehr bevorzugt behandelt werden. Vor allem gering qualifizierte Jobsuchende dürften es künftig viel schwerer haben. Wer in Grossbritannien leben und arbeiten möchte, muss in Zukunft ein Mindestgehalt vorweisen. Familiennachzug soll nur mit Hilfe des Arbeitgebers möglich sein. Auch für Touristen soll das Reisen schwieriger werden; sie müssen sich künftig vorab einer Sicherheitsprüfung unterziehen.

Studenten sind von den Einreisebeschränkungen ausgenommen. Sie müssen nur nachweisen, dass sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Die etwa drei Millionen EU-Bürger, die schon in Grossbritannien leben, sollen ebenfalls nicht von den neuen Regelungen betroffen sein.

Austritt ohne Verhandlungen wäre chaotisch

Um die schleppenden Gespräche zwischen der EU und London voranzubringen, bereitet die EU den Entwurf einer politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen mit Grossbritannien vor. EU-Diplomaten bestätigten entsprechende Informationen der Funke Mediengruppe. Geplant seien nur relativ knappe Eckpunkte der künftigen Beziehungen, die dann in der Brexit-Übergangszeit bis Ende 2020 in Vertragstexte gegossen werden sollen. Das Papier ist Teil des seit Monaten verhandelten Vertragspakets. Der Entwurf könnte am 10. Oktober in der EU-Kommission gebilligt und anschliessend mit den EU-Staaten abgestimmt werden.

Die EU hofft auf einen Durchbruch beim EU-Gipfel Mitte Oktober und eine finale Einigung Mitte November. Sollte es vor März 2019 nicht zu einer Einigung kommen, droht ein Austritt mit drastischen Konsequenzen für die Wirtschaft und Chaos in vielen Lebensbereichen.

Fraglich ist, für wie lange Boris Johnson seine Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs zurückstellen wird. Er ist sich für kaum eine Provokation zu schade. Am Dienstag hatten Zeitungen Fotos von ihm veröffentlicht, die zeigten wie er in einer Boxershort in einem Feld herumtollte. Dies wurde als Anspielung auf ein früheres Interview Mays verstanden: Auf die Frage einer TV-Journalistin, was das Frechste war, war sie je getan habe, hatte die Premierministerin damals fast staatsmännisch gesagt: «Als ich und meine Freunde als Kinder durch die Weizenfelder gerannt sind.»

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