Brexit: Kann Johnson in Brüssel noch einen Deal erreichen?
Mit einem persönlichen Treffen in Brüssel wollen Boris Johnson und Ursula von der Leyen in letzter Sekunde doch noch einen Brexit-Handelspakt erreichen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ende dieses Jahres endet die Brexit-Übergangsphase.
- Noch immer konnten sich EU und Grossbritannien nicht auf ein Handelsabkommen einigen.
- Nun will Johnson nach Brüssel reisen, um vielleicht doch noch einen Deal zu erreichen.
- Doch eine Einigung scheitert seit Monaten an den gleichen Streitpunkten.
Mit dem Jahreswechsel in gut drei Wochen ist es so weit: Die Übergangsphase des Brexits geht zu Ende. Ab Januar sollte eigentlich ein neues Handelsabkommen zwischen der EU und Grossbritannien in Kraft treten. Sollte.
Denn: Die Übergangphase hätte eigentlich dazu dienen sollen, eine Einigung zu erzielen. Doch dazu ist es noch immer nicht gekommen. Die Unterhändler waren zuletzt nicht mehr vorangekommen, seit Monaten kommen sie bei den gleichen drei Themen auf keinen grünen Zweig: Fischerei, faire Wettbewerbsbedingungen und Regeln zur Ahndung von Verstössen gegen das Abkommen.
Und Boris Johnson hat sich mehrfach gegen eine Verlängerung der Übergangsphase ausgesprochen. Nun will sich der britische Premier in den nächsten Tagen persönlich mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel treffen. So soll in letzter Sekunde doch noch ein harter Bruch verhindert werden.
Brexit: Zugeständnisse auf beiden Seiten nötig
Johnson gilt zwar als Charismatiker, der im persönlichen Gespräch so einiges erreichen kann, woran kühle Bürokraten scheitern. Doch für eine Einigung in letzter Sekunde braucht es deutlich mehr als das. Ohne schmerzhafte Zugeständnisse von beiden Parteien scheint ein Brexit mit Deal unmöglich.
Auch wenn beide Seiten beteuern, dass sie einen Handelspakt einem harten Bruch bevorzugen, tun sie dies nicht um jeden Preis. Genau daran scheitert eine Einigung in den drei bereits erwähnten Streitpunkten.
Beim ersten Punkt, der Fischerei, stehen auf EU-Seiten die Interessen der Küstenstaaten – vor allem Frankreichs – im Vordergrund. Dabei geht es um die Mengen, die EU-Fischer in britischen Gewässern fangen dürfen. Während die britische Regierung bei den Fangquoten auf jährliche Neuverhandlungen pocht, will die EU eine langfristigere Lösung. Einen angeblichen Durchbruch bei diesem Thema dementierten beide Seiten.
Die Frage der britischen «Souveränität»
Hinter dem Streitthema «faire Wettbewerbsbedingungen» steht das Angebot der EU, Grossbritannien freien Warenhandel ohne Zölle und Mengenbegrenzungen zu ermöglichen. Dafür fordert sie aber gleiche Umwelt- oder Sozialstandards und Subventionsregeln. Im Verhandlungsjargon wird hier der Begriff «Level Playing Field» genutzt.
Doch die Briten sehen sich bei dieser Forderung in ihrer «Souveränität» beschnitten. Aus Sicht der Brexit-Anhänger und der Johnson-Regierung ist die Umgehung solcher Regeln Hauptzweck des Brexits.
Die EU will hingegen keine Öffnung ihres Markts für Unternehmen, die geringere Standards einhalten müssen und deshalb billiger produzieren können. Der Schutz des EU-Binnenmarkts sei für alle 27 Staaten oberste Priorität, heisst es in Brüssel. Denn sonst hätten britische Unternehmen einen Vorteil gegenüber EU-Firmen. Auch würde die Gefahr bestehen, dass Grossbritannien so europäische Unternehmen anlocken könnte.
Wirtschaftlicher Druck auf Johnson
Beim dritten Streitpunkt geht es um die Frage, wie die künftigen Beziehungen reguliert werden sollen. Die EU pocht dabei auf einen Schlichtungsmechanismus, der auch eine von London unabhängige Behörde in Grossbritannien vorsieht. Für die Briten geht das jedoch zu weit.
Der Druck auf Boris Johnson ist vor seinem Besuch in Brüssel immens: Der Brexit trifft Grossbritanniens Handel nach einer Ifo-Studie nämlich viel härter als den der EU. «Beide Seiten verlieren beim Brexit, nur das Vereinigte Königreich eben deutlich mehr», sagte die Leiterin des Ifo-Zentrums für Aussenwirtschaft, Lisandra Flach, am Dienstag in München.
Scheitern die Verhandlungen, würden viele britische Waren in der EU teurer. Verzögerungen an der Grenze könnten zu Engpässen führen und Lieferketten unterbrechen, Zehntausende Jobs wären in Gefahr. In Grossbritannien sorgt man sich vor allem um Knappheiten bei Benzin und bestimmten Lebensmitteln. Hinzu kommen die durch die Corona-Pandemie entstandenen wirtschaftlichen Probleme.