Neben seinem Ärger mit dem Brexit drohen dem britischen Premierminister Boris Johnson nun auch noch Strafermittlungen wegen eines mutmasslichen Interessenkonflikts in seiner Zeit als Londoner Bürgermeister.
Johnson bei der Ankunft in Manchester
Johnson bei der Ankunft in Manchester - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Politiker soll als Londoner Bürgermeister US-Unternehmerin begünstigt haben.
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Ausgerechnet kurz vor dem Beginn des Parteitags seiner konservativen Tories am Sonntag in Manchester wurde bekannt, dass Johnson als Bürgermeister eine befreundete Unternehmerin aus den USA begünstigt haben soll. Johnson wies die Vorwürfe zurück. Alles sei damals «völlig» korrekt abgelaufen.

Die Regionalregierung des Grossraums London forderte nach eigenen Angaben die zuständige Behörde IOPC auf zu prüfen, ob es hinreichende Gründe für ein Strafverfahren gegen Johnson gebe. Die IOPC bestätigte dies.

Die Regionalregierung reagierte damit auf einen Bericht der «Sunday Times», wonach Johnson in seiner Zeit als Londoner Bürgermeister eine Affäre mit der US-Unternehmerin Jennifer Arcuri hatte. Zwischen 2008 bis 2016 habe das Ex-Model insgesamt 126.000 Pfund (141.000 Euro) an öffentlichen Fördergeldern erhalten. Ausserdem sei Arcuri bei Auslandsreisen des damaligen Bürgermeisters bevorzugt worden.

So habe Arcuri Johnson drei Mal auf Auslandsreisen als Mitglied einer Wirtschaftsdelegation begleitet, obwohl sie dafür nicht die offiziellen Voraussetzungen erfüllte, führte die «Sunday Times» aus. Aus einem Fördertopf zur Ansiedlung ausländischer Unternehmen in Grossbritannien bezog die US-Unternehmerin 2014 demnach 15.000 Pfund.

Weitere 100.000 Pfund aus einem Fördertopf für britische Unternehmen habe sie im selben Jahr erhalten, als ihr Unternehmen sich wieder in den USA angesiedelt habe. Diese Zahlung wurde aber später von der Regierung eingefroren. Die «Sunday Times» listet überdies auf, dass Arcuris Technologiefirma Innotech 2013 mit 10.000 Pfund an öffentlichen Geldern gefördert worden sei und 2014 mit weiteren 1500 Pfund. Johnson und Arcuri wiesen jegliche Unregelmässigkeiten zurück. «Alles wurde mit völligem Anstand» getan, sagte Johnson am Sonntag.

Der Premierminister steht bereits wegen seines Brexit-Kurses massiv unter Druck. Er will den bereits zweimal verschobenen Austritt aus der Europäischen Union am 31. Oktober notfalls auch ohne Abkommen mit der EU vollziehen. Um das Land voranzubringen, müsse der Brexit am 31. Oktober «erledigt» werden, bekräftigte Johnson am Sonntag in der BBC. «Den Brexit erledigen» ist auch das Motto das viertägigen Tory-Parteitags in Manchester.

Das britische Parlament hat allerdings ein Gesetz verabschiedet, das einen sogenannten No-Deal-Brexit ausschliessen soll. Ausserdem kippte das höchste Gericht des Landes am Dienstag Johnsons Entscheidung, das britische Parlament vom 10. September bis zum 14. Oktober in eine Zwangspause zu schicken. Das Parlament trat daraufhin wieder zusammen - und könnte nun auch den Zeitplan des Parteitags durcheinanderbringen.

Die Opposition hat Störmanöver bis hin zu einem Misstrauensvotum angekündigt, was Tory-Abgeordnete dazu zwingen würde, von Manchester zurück nach London zu eilen. Johnson wiederum will am Mittwoch wie geplant seine Parteitagsrede halten. Eigentlich muss er dann in einer Fragestunde den Abgeordneten in London Rede und Antwort stehen.

Johnsons Schlagabtausch mit dem Parlament hatte sich zuletzt immer weiter hochgeschaukelt. Johnson, der den Abgeordneten unter anderem «Kapitulation» vor der EU und «Verrat» vorgeworfen hatte, wurde für seine aggressive Wortwahl scharf kritisiert. Er selbst hält sich dagegen für ein «Vorbild an Zurückhaltung», wie er am Sonntag betonte.

Beim Parteitag muss Johnson dagegen keine Kritik fürchten. Die Tory-Mitglieder, die Johnson im Juli mit grosser Mehrheit zum Parteichef gewählt haben, sind auch mehrheitlich für den Brexit. Der Politik-Professor Tim Bale von der Queen-Mary-Universität in London rechnet daher mit einem Parteitag «für Boris Johnson und für den Brexit».

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