Ermittler gehen in Fall Lübcke von rechtsextremem Hintergrund aus
Nach der Festnahme eines Tatverdächtigen im Fall des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gehen die Ermittler von einem rechtsextremen Hintergrund der Tat aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesanwaltschaft zieht Ermittlungen in Mordfall an sich.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zog deshalb am Montag die Ermittlungen in dem Mordfall an sich. Die Behörde sieht aber keine Anhaltspunkte für eine Einbindung des am Wochenende festgenommenen Stephan E. in ein rechtsterroristisches Netzwerk.
«Nach dem bisherigen Erkenntnisstand liegen zureichende Anhaltspunkte für einen rechtsextremen Hintergrund der Tat vor», erklärte die Bundesanwaltschaft. Da der Mord als «politisches Attentat» qualifiziert worden sei, habe die Behörde eine «besondere Bedeutung» des Falls bejaht und die Ermittlungen übernommen.
Für einen rechtsextremistischen Hintergrund bei dem Verdächtigen sprächen sein Vorleben sowie öffentlich geäusserte politische Ansichten. Die Ermittler gehen auch der Frage nach, ob und inwieweit bislang unbekannte Hintermänner in die Tat eingebunden gewesen seien. Es lägen aber derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte in eine rechtsterroristische Vereinigung eingebunden gewesen sein könnte, sagte Behördensprecher Markus Schmitt.
Der am Wochenende festgenommene 45-Jährige wird laut Bundesanwaltschaft verdächtigt, den CDU-Politiker «heimtückisch durch einen Kopfschuss getötet zu haben». Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. Laut Obduktion wurde der 65-Jährige mit einer Kurzwaffe aus nächster Nähe erschossen.
Der 45-jährige E. wurde am Samstag durch Spezialeinheiten der Polizei in Kassel festgenommen. Die Festnahme erfolgte aufgrund eines DNA-Treffers bei der Suche nach dem mutmasslichen Täter. Am Sonntag wurde gegen ihn Untersuchungshaftbefehl erlassen.
Der Tatverdächtige war offenbar in der Vergangenheit in der rechtsextremen Szene aktiv und ist auch vorbestraft. Nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft Wiesbaden wurde E. im Juni 1995 wegen versuchten Totschlags, eines versuchten Sprengstoffanschlags und Körperverletzung zu sechs Jahren Jugendhaft verurteilt. Er soll 1993 eine Asylbewerberunterkunft im hessischen Hohenstein-Steckenroth angegriffen und bereits 1992 in Wiesbaden einen Mann mit einem Messer attackiert haben.
Für Entsetzen sorgten nach dem Tod des CDU-Politikers bereits pietätlose rechte Reaktionen in sozialen Netzwerken. Rechte Akteure hatten seinen Tod teils mit Häme und Schadenfreude kommentiert. Als Regierungspräsident war Lübcke im Jahr 2015 auch für die Einrichtung von Erstaufnahmelagern für Flüchtlinge in seinem Regierungsbezirk zuständig.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) zeigte sich entsetzt über die Tat und die Hetze im Netz nach dem gewaltsamen Tod des CDU-Politikers. «Fassungslos machen mich auch die Hetze, die Drohungen und zuletzt nach seinem Tod die Verhöhnung von Walter Lübcke», sagte Barley der «Süddeutschen Zeitung». Dieser Hass ziele auf «die Mitte der Gesellschaft». Es sei gut, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen habe.
Die Opposition im Bundestag fordert nach den jüngsten Entwicklungen in dem Fall eine Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses. Nötig sei nun eine «glasklare Aufklärung des Attentats sowie der Strukturen und des Gewaltpotenzials der rechtsextremen Szene in Deutschland», sagte der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser der Nachrichtenagentur AFP. Deshalb werde eine Sondersitzung des Ausschusses beantragt.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Eine Sondersitzung des Innenausschusses ist angesichts der dramatischen und beunruhigenden Entwicklungen im Fall Lübcke unausweichlich.»