EuGH erklärt Polens ursprüngliche Reform zur Richter-Pensionierung für illegal
Das Wichtigste in Kürze
- Warschau kritisiert Entscheidung über bereits geänderte Rechtslage.
Der EuGH gab am Dienstag einer Klage der EU-Kommission gegen die 2017 erfolgte Herabsetzung des Rentenalters für Richter statt. Polen kritisierte den Beschluss als Entscheidung über eine nicht mehr bestehende Rechtslage. Der EuGH bestätigte, dass er Änderungen von 2018 bei der Entscheidung nicht berücksichtigt habe. (Az. C-192/18)
Die polnische Regierung hatte 2017 das Rentenalter für Richter und auch für Staatsanwälte bei Frauen auf 60 Jahre und bei Männern auf 65 Jahre herabgesetzt. Das Rentenalter hatte zuvor bei beiden Geschlechtern bei 67 Jahren gelegen. Bei normalen Gerichten konnte durch die Reform zudem der Justizminister entscheiden, ob die Amtszeit für Richter über das festgelegte Ruhestandsalter hinaus verlängert wird.
Kritiker sahen darin eine Zwangspensionierung oberster Richter und den Versuch der rechtsnationalen Regierungspartei PiS, die Justiz insgesamt auf Linie zu bringen. Im Juni entschied der Gerichtshof bereits, dass die Verringerung des Ruhestandsalters am obersten Gericht gegen die Grundsätze der Unabsetzbarkeit der Richter und der richterlichen Unabhängigkeit verstösst.
Der EuGH stellte nun in dem unterschiedlichen Rentenalter für Frauen und Männer eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts fest. Die Möglichkeit des Justizministers, möglicherweise genehme Richter länger im Amt zu lassen, sei zudem ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.
Das polnische Aussenministerium äusserte Unverständnis über die Entscheidung. Sie betreffe «eine Situation der Vergangenheit, die nicht den aktuellen Regelungen entspricht», erklärte es. Demnach wurden das unterschiedliche Rentenalter für Männer und Frauen per Gesetz vom April 2018 bereits «angeglichen» und die Entscheidung über eine mögliche Dienstverlängerung vom Justizminister auf den aus Warschaus Sicht unabhängigen Nationalen Justizrat übertragen.
Die EU-Kommission hätte deshalb ihre Klage nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zurückziehen müssen, erklärte das polnische Aussenministerium. Dass sie dies nicht getan habe, sei «nicht gerechtfertigt».
Ein EuGH-Sprecher bestätigte, dass der Gerichtshof nur über die Rechtslage vor Ende 2017 entschieden habe. Bei Vertragsverletzungsverfahren komme es für die Prüfung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. «Alle späteren Änderungen können durch das Gericht für dieses Verfahren nicht berücksichtigt werden.»
Die Kommisson hatte in dem Verfahren darauf verwiesen, dass die Änderungen von 2018 nicht ausreichten. Sie sprach nun von einer «wichtigen Entscheidung», die ihre Position bestätige. Sie stütze die Unabhängigkeit der Justiz «in Polen und darüber hinaus».
Eine Kommissionssprecherin begrüsste gleichzeitig die 2018 veranlassten Änderungen zur Gleichstellung von Männern und Frauen beim Rentenalter. Es fehle aber die Möglichkeit für bereits entlassene Richter, gegen die Entscheidung vorzugehen, sagte sie. Die Kommission sei bereit, Polen bei den dafür nötigen Änderungen zu unterstützen.
Die EU-Kommission geht seit Anfang 2016 gegen mehrere Justizreformen der nationalkonservativen Regierung in Warschau vor. Brüssel wirft Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz systematisch zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben.
Die Kommission leitete deshalb bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren ein. Im Dezember 2017 startete Brüssel zudem ein bis dahin beispielloses Strafverfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann.