Ex-Zentralbankchef Draghi übernimmt die Macht in Rom
Das Wichtigste in Kürze
- Mario Draghi ist neuer Ministerpräsident Italiens.
- Am Samstag sind er und sein Kabinett vereidigt worden.
- Später übergab Vorgänger Giuseppe Conte dem Ökonomen den Regierungspalast.
Lob für Draghi, Abschiedsapplaus für Conte: In Italien hat Ex-Zentralbankchef Mario Draghi nach Wochen der politischen Blockade am Samstag das Ministerpräsidentenamt übernommen. Erst wurden der 73-Jährige und sein Kabinett vom Staatschef vereidigt.
Als Conte rausging, bekam er warmen Applaus von Mitarbeitern an Fenstern und Fans auf der Strasse. Im Land warten unterdessen viele, mit welchen Konzepten Draghi das durch die Coronakrise gebeutelte Italien wieder auf Kurs bringen will.
Draghi hatte am Freitag seine Ministerliste mit 23 Namen präsentiert. Er stützt sich auf ein ungewöhnliches breites Parteienspektrum von links bis rechts - und bekam entsprechendes Lob von vielen Seiten. Vertreten sind sowohl 15 Politiker aus dem bisherigen Mittel-Links-Bündnis Contes als auch aus der Opposition. Hinzu kommen acht Experten.
Dritte Regierung seit 2018
Damit will der Neu-Politiker nach den Querelen und Intrigen, die Fortschritte in Rom oft ausbremsten, eine breite Machtbasis aufbauen. Nur die ultrarechten Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) haben eine klare Opposition angekündigt.
Die neue Regierung ist die dritte in der laufenden Legislaturperiode seit 2018 - und die 67. Regierung der Italienischen Republik. Das Kabinett kam noch am Samstagnachmittag zu einer ersten Sitzung zusammen.
Eine programmatische Rede Draghis wird nach Medienberichten an diesem Mittwoch erwartet, wenn er sich im Zwei-Kammern-Parlament Vertrauensfragen stellen muss. Das Ja von Senat und Abgeordnetenkammer gelten als gesichert. Die Regierung ist aber schon vorher voll im Amt und darf Entscheidungen treffen.
Signal an EU gefordert
Staatspräsident Sergio Mattarella hatte den früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittag im Quirinalspalast, dem Amtssitz des Präsidenten, eingeschworen. Draghi hatte rund zehn Tage ausgelotet, ob er sich auf eine Mehrheit im Parlament stützen kann.
Eine wichtige Rolle unter den acht Experten dürfte Daniele Franco als Finanzminister zukommen: Bisher war Franco Generaldirektor bei der italienischen Zentralbank Banca d’Italia. Er und andere Vertraute Draghis sollen ein Signal an die EU senden. Italien werde die dringend benötigten Hilfsgelder aus Brüssel sinnvoll einsetzen, so der Grundtenor. Von dort, etwa von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, kamen ganz früh schon Glückwünsche.
Draghi ist international als «Euro-Retter» bekannt. Er konnte 2012 in der Euro-Krise als EZB-Chef die Gemeinschaftswährung durch Machtworte, eine Politik des aufgedrehten Geldhahns und Anleihekäufe stabilisieren.
Fünf-Sterne-Bewegung am stärksten
In Draghis Regierungsteam sitzen auch mehrere zentrale Akteure der gescheiterten Vorgängerregierung. Etwa Aussenminister Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Gesundheitsminister Roberto Speranza von der kleinen linken Partei Liberi e Uguali. Nur 8 der 23 Ministerposten gingen an Frauen.
Insgesamt am stärksten vertreten ist die Fünf-Sterne-Bewegung. Sie ist mit über 30 Prozent die stärkste Kraft im Parlament. Auch die Sozialdemokraten (PD), die konservative Forza Italia (FI) und die rechte Lega von Matteo Salvini wurden bedacht.
Matteo Renzis Splitterpartei Italia Viva ist ebenfalls erneut vertreten. Der 56-jährige parteilose Jurist Conte gehörte zu den beliebtesten Politikern Italiens.
«Verpasste Chance» für mehr Gleichstellung
Das Vorgänger-Bündnis war im Streit um den Einsatz von über 200 Milliarden Euro an EU-Hilfen in der Corona-Krise geplatzt. Der Plan dafür hatte sich verzögert. Politiker und Experten warnten, dass Italien leer ausgehen könnte. Die Wirtschaftskraft des 60-Millionen-Einwohner-Landes war 2020 um rund neun Prozent eingebrochen.
Die Parteichefs Salvini und Berlusconi schrieben schon vor der Vereidigung, ihre Politiker würden sofort an die Arbeit gehen. PD-Lenker Nicola Zingaretti versicherte, man unterstütze die Regierung «mit Loyalität und Überzeugung». Die Politikerin und Frauenverbandschefin Isa Maggi kritisierte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa jedoch die «verpasste Chance» für mehr Gleichstellung.