Früherer Berliner Finanzsenator Sarrazin kann aus SPD ausgeschlossen werden
Der umstrittene frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin kann aus der SPD ausgeschlossen werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Sarrazin will gegen Entscheidung bis vor Verfassungsgericht ziehen.
Die Schiedskommission Charlottenburg-Wilmersdorf gab einem entsprechenden Antrag des SPD-Parteivorstands statt, wie Generalsekretär Lars Klingbeil am Donnerstag mitteilte. Sarrazin habe gegen die Grundsätze der Partei verstossen, «rassistische Gedanken haben in der SPD keinen Platz», erklärte Klingbeil. Zahlreiche SPD-Politiker begrüssten die Entscheidung, gegen die Sarrazin Berufung einlegen will. Die AfD bot ihm die Zusammenarbeit an.
«Die heutige Entscheidung wird den Niedergang der SPD nicht aufhalten», sagte Sarrazin der «Bild»-Zeitung. Es sei schade, dass die Partei «nicht die Kraft fand, eine andere Entscheidung im Interesse der Meinungsfreiheit und der innerparteilichen Demokratie zu treffen», erklärte er ausserdem über seinen Anwalt.
Dieser kündigte an, zunächst vor das Berliner Landesschiedsgericht zu ziehen. Nötigenfalls werde auch das Bundesverfassungsgericht bemüht. «Dies sind noch sechs weitere Instanzen und viele weitere Jahre der Auseinandersetzung», erklärte Rechtsanwalt Andreas Köhler. So lange bleibe sein Mandant SPD-Mitglied.
Dem Bericht der «Bild»-Zeitung zufolge heisst es in dem Urteil, durch die «Verbreitung anti-muslimischer und kultur-rassistischer Äusserungen» sei ein «schwerer Schaden für die SPD entstanden».
Dem schloss sich Juso-Chef Kevin Kühnert an. «Thilo Sarrazin verliert mit der SPD-Mitgliedschaft seinen grössten Kassenschlager, denn ohne diese ist er nur ein verbitterter rechter Mann unter vielen», sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Freitagsausgaben).
Auch Baden-Württembergs SPD-Chef Andreas Stoch erklärte, Sarrazins Aussagen «waren nunmal klar rassistisch». Dadurch habe er die hohen Hürden für einen Parteiausschluss «deutlich gerissen», sagte er den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, sprach gegenüber «Business Insider» von einem «guten Tag für die Sozialdemokratie».
Unterdessen lud die Berliner AfD Sarrazin dazu ein, sich ihr anzuschliessen. «Es ist nicht zu erwarten, dass Thilo Sarrazin in der SPD oder in irgendeiner anderen Konsenspartei mit seinen mutigen Thesen gehört werden wird», erklärte Sprecher Ronald Gläser.
Ein von der SPD-Spitze eingesetztes Gremium hatte Ende vergangenen Jahres einen 18-seitigen Bericht vorgelegt, der Sarrazin acht islamkritische und ausländerfeindliche Kernthesen seines jüngsten Buches vorhält, die mit den «Grundsätzen der Sozialdemokratie unvereinbar» seien.
Sarrazin ist in der SPD seit langem umstritten. Es war bereits der dritte Anlauf des SPD-Vorstands, ihn aus der Partei zu werfen. Im ersten Fall blieb das Vorhaben erfolglos, im zweiten Fall endete das Verfahren im Frühjahr 2011 mit einer Art Vergleich: Sarrazin versicherte, sich künftig an die Grundsätze der SPD zu halten, die Anträge auf Parteiausschluss wurden zurückgenommen.
Im Sommer 2018 entflammte der Konflikt erneut, als Sarrazin sein neues Buch «Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht» präsentierte.