Geburt als «Heilmittel»: Abtreibung in USA bei Inzest umstritten
Die Abtreibungs-Debatte in den USA wird immer kontroverser geführt. Strittig sind unter anderem auch Abtreibungen nach Vergewaltigung und Inzest.
Das Wichtigste in Kürze
- In den USA bestimmen seit ca. anderthalb Jahren die Bundesstaaten über Abtreibungsverbote.
- Dies führt zu zahlreichen äusserst kontrovers geführten Debatten.
- So in Missouri, wo die republikanische Mehrheit keine Ausnahmen will – selbst bei Inzest.
Mitte 2022 hob der Oberste Gerichtshof der USA einen seit fast 50 Jahren geltenden Entscheid auf: Abtreibungen konnten fortan wieder verboten werden. Weil es keine Regelung auf Bundesebene gibt, können Bundesstaaten selbst entscheiden, wie sie Schwangerschaftsabbrüche handhaben wollen. Genau dies hat nun diese Woche der Bundesstaat Missouri getan – und sich für äusserst strikte Regeln entschieden.
Keine Abtreibungen bei Vergewaltigung und Inzest
Das Oberhaus von Missouri hatte erneut zu entscheiden, nachdem die demokratische Parlamentarierin Tracy McCreery Anträge gestellt hatte. Sie wollte das absolute Abtreibungsverbot aufweichen. Aktuell sind Abtreibungen in Missouri nur legal bei medizinischen Notfällen.
Die Botschaft sei demnach «es ist uns egal», argumentierte McCreery. Man sage Betroffenen: «Wir werden sie zur Geburt zwingen. Selbst wenn diese Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung durch ein Familienmitglied, ein Date, einen Ex-Ehemann oder einen Fremden zurückzuführen ist.»
Die Anträge erhielten allerdings nur Unterstützung von der demokratischen Minderheit im Staatssenat von Missouri. So fragte Greg Razer, ein Demokrat aus Kansas City: Ob seine republikanischen Kollegen dafür eintreten würden, dass ein neunjähriges Mädchen, das vergewaltigt wurde, zur Geburt gezwungen werde? «Was sie vertreten, ist intellektuell nicht zu rechtfertigen», sagte er. «Das macht keinen Sinn und es ist moralisch nicht zu rechtfertigen.»
«Gott macht keine Fehler»
Die Vertreterinnen und Vertreter der republikanischen Mehrheit wollten aber kein Einsehen haben. Sie führten dabei Argumente an, die weit über das «schützenswerte ungeborene Leben» hinausgingen. Während eine Vergewaltigung für jeden eine «geistige Belastung» sei, sagte die republikanische Senatorin Sandy Crawford, rechtfertige sie keine Abtreibung.
Denn «Gott ist perfekt», so Crawford. «Gott macht keine Fehler. Und aus irgendeinem Grund lässt er das zu. Es passieren schlimme Dinge.»
Geburt als Heilmittel
Der republikanische Vertreter Mike Moon hatte ein Gesetz eingereicht für strafrechtliche Sanktionen gegen Frauen, die eine Abtreibung anstreben. Er verbrachte 12 Minuten damit, bekannte Persönlichkeiten aufzulisten, die durch Vergewaltigung oder Inzest gezeugt wurden. Dies, nachdem er den Behörden vorgeschlagen hatte, Vergewaltiger zu erschiessen oder zu kastrieren.
Dem wiederum stimmte Parteikollege Rick Brattin zu: «Wenn Sie den Vergewaltiger verfolgen wollen, verhängen wir die Todesstrafe. Sicher, lasst es uns dies tun, aber nicht die unschuldige Person dazwischen», sagte er.
Abtreibung sei eine ebenso grosse Gräueltat wie die Institution der Sklaverei. Denn er glaubte zu wissen, wie eine Geburt auf Vergewaltigungsopfer wirken könnte: «Das könnte durch Gottes Gnade sogar das grösste Heilmittel sein, das Sie brauchen, um sich von einer solchen Gräueltat zu erholen.»