Für den deutschen Aussenminister Heiko Maas steht ein heikler Staatsbesuch bevor. Am Mittwoch trifft er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Der deutsche Aussenminsiter Heiko Maas nimmt in Berlin im Bundeskanzleramt an der Sitzung des Bundeskabinetts teil.
Der deutsche Aussenminsiter Heiko Maas nimmt in Berlin im Bundeskanzleramt an der Sitzung des Bundeskabinetts teil. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Mittwoch begibt sich der deutsche Aussenminister Maas auf türkischen Staatsbesuch.
  • Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind schon seit Längerem belastet.
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Besuche in oder aus der Türkei sind derzeit für deutsche Politiker stets heikle Angelegenheiten. Wenn der deutsche Aussenminister Heiko Maas an diesem Mittwoch als erster deutscher Spitzenpolitiker seit langem nach Ankara fliegt, hat er all die Belastungen der deutsch-türkischen Beziehungen aus den vergangenen Monaten mit im Gepäck. Wie hoch umgekehrt der Besuch aus Berlin in der Türkei angesiedelt wird, zeigt sich daran, dass auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Maas empfangen will.

Ungeachtet aller Probleme haben die deutsche Regierung und gerade das Aussenministerium ihrerseits stets die Bedeutung guter und enger Kontakte zur Türkei betont. Allerdings sitzen auch nach der Freilassung prominenter deutscher Häftlinge wie Peter Steudtner, Deniz Yücel und Mesale Tolu in der Türkei noch immer sieben Deutsche aus politischen Gründen in Haft.

Menschenrechtslage ist problematisch

Auch sonst bereitet die Menschenrechtslage der deutschen Regierung weiter Sorge. Zwar endete der Ausnahmezustand Mitte Juli, doch bleiben in der Türkei zehntausende Menschen unter Terrorvorwürfen inhaftiert. Selbst friedliche Proteste wie die der Samstagsmütter, die in Istanbul an verschwundene Angehörigen erinnern, werden nicht länger toleriert.

In den Kurdengebieten im Südosten geht die Armee mit Gewalt gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor. Fast täglich werden Festnahmen mutmasslicher Anhänger der Gülen-Bewegung gemeldet, die Ankara für den gescheiterten Militärputsch von 2016 verantwortlich macht.

«Im Sinne der Bevölkerung»

In Deutschland ist denn auch die Erwartungshaltung gross, dass Maas Menschenrechtsfragen bei den Treffen mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu und auch mit Erdogan zur Sprache bringen wird – und zwar nicht nur mit Blick auf direkt betroffene Deutsche. Klare Worte von Maas forderte vorab etwa die gerade erst nach Aufhebung ihrer Ausreisesperre aus der Türkei nach Deutschland zurückgekehrte Journalistin Tolu. Dessen Reise selbst wird von ihr begrüsst, Gespräche seien «im Sinne der Bevölkerung» in der Türkei. Die Menschenrechte dürften dabei jedoch «nicht übersehen werden».

Daneben dürfte es bei den Gesprächen um weitere bilaterale Fragen gehen, aber auch um die internationale Politik. Das gilt besonders für den Syrien-Konflikt, der in der Region Idlib (TUR) vor einer neuen Eskalation stehen könnte. Geplant ist auch ein Gespräch von Maas mit Parlamentspräsident Binali Yildirim.

Für die Türkei dürften bei dem Treffen wirtschaftliche Fragen grossen Stellenwert haben, nachdem die Lira inmitten eines Streits mit den USA massiv an Wert verloren hat. Wegen des Zerwürfnisses mit Washington sucht Ankara verstärkt die Nähe zu anderen Partnern wie Deutschland.

Entspannter zweiter Teil

Zwar steht es für Ankara nicht zur Debatte, Wirtschaftshilfen aus dem Ausland zu erbitten. Doch ist die Regierung an einer Ausweitung der Investitionen und des Handels interessiert. Dies dürfte bei einem geplanten Treffen von Maas mit Wirtschaftsvertretern Thema sein.

Und dann ist natürlich der für den 29. September geplante Deutschland-Besuch Erdogans in Blickweite. Auch diese Visite soll zur Normalisierung der Beziehungen beitragen, wobei Erdogan wegen seines autokratischen Regierungsstils, der Repressionen gegen politische Gegner und seiner Weigerung, die Lira-Krise durch Zinserhöhungen zu entschärfen, zugleich massgeblicher Teil des Problems ist. Daher ist es für Tolu und viele andere in Deutschland unverständlich, dass er in Berlin mit grossem Pomp als Staatsgast empfangen werden soll.

Entspannnter wird wohl der zweite Teil des Besuchs von Maas am Donnerstag in Istanbul (TUR) sein. Hier steht vor allem ein Besuch des traditionsreichen deutschen Gymnasiums auf dem Programm, das in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiert. Allerdings ist auch die Bildungs-Kooperation nicht unbelastet, was gerade erst an einem Streit um die Lizenz für eine andere deutsche Schule in Izmir (TUR) deutlich wurde.

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