Kolumbien: Friedensprozess wegen Regierungswechsel in Gefahr

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Kolumbien,

Der scheidende Präsident Santos bangt um sein Lebenswerk. Mit einem historischen Abkommen hat er den Bürgerkrieg beendet. Doch sein Nachfolger hat andere Pläne.

Juan Manuel Santos während einer Rede in Bogota.
Juan Manuel Santos während einer Rede in Bogota. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Dienstag übernimmt Iván Duque die Nachfolge von Juan Manuel Santos in Kolumbien.
  • Der Friedensprozess mit den Rebellen könnte durch den neuen Präsidenten in Gefahr sein.

Am Ende bleiben Juan Manuel Santos nicht mehr als fromme Wünsche. «Wir hoffen, dass die nächste Regierung den Friedensprozess fortsetzt», sagt der scheidende kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger. «Noch nie waren wir so weit wie heute.»

Santos bangt um sein Lebenswerk. Vor knapp zwei Jahren hatte er den historischen Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen unterzeichnet und damit den seit einem halben Jahrhundert tobenden Bürgerkrieg mit 220'000 Toten und Millionen Vertriebenen beendet. Mit der kleineren Guerillagruppe ELN dauern die Gespräche noch an.

Änderungen im Friedensvertrag

Wenn allerdings am kommenden Dienstag (7. August) Santos Nachfolger Iván Duque die Amtsgeschäfte übernimmt, könnte schon bald ein anderer Wind wehen. Der konservative Politiker hat angekündigt, den Friedensvertrag mit den Farc zu ändern. Experten halten das für riskant. Selbst kleine Modifikationen an dem über Jahre ausgehandelten Abkommen könnten den noch immer fragilen Friedensprozess gefährden.

«Die ehemaligen Guerillakämpfer dürften wütend auf jeden Versuch reagieren, ihnen die im Friedensvertrag zugesagte Unterstützung zu entziehen», schreibt das Forschungsinstitut International Crisis Group in einer Analyse. «Das könnte ihre Bemühungen, ins zivile Leben zurückzukehren, untergraben oder sie sogar in die Arme abtrünniger Farc-Einheiten oder krimineller Banden treiben.»

Allerdings spricht Duque mit seiner Kritik an dem im Ausland gefeierten, in Kolumbiens aber sehr umstrittenen Abkommen vielen Menschen aus der Seele. Ihnen sind die relativ milden Strafen für die früheren Farc-Kämpfer und ihr direkter Durchmarsch aus ihren Dschungelstellungen ins Parlament ein Dorn im Auge.

«Wir werden den Vertrag nicht in Stücke reissen, aber wir werden sicherstellen, dass der Frieden allen Kolumbianern zugute kommt», sagte Duque nach seinem Wahlsieg. «Wir werden Korrekturen vornehmen, damit die Opfer wirklich im Mittelpunkt stehen und wir Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und keinen Rückfall haben.»

«Tod der tausend Stiche»

Eine wirklich umfassende Reform des Friedensabkommens ist schon aus rechtlichen Gründen unmöglich. Allerdings könnte Duque die Umsetzung verschleppen. «Das grösste Risiko ist, dass der Vertrag einen Tod der tausend Stiche stirbt – über Mittelkürzungen oder andere Hürden», sagt Vanda Felbab-Brown vom Forschungsinstitut Brookings Institution. «Das würde die Aussicht auf einen dauerhaften Frieden subtil, aber nachhaltig in Gefahr bringen.»

Tatsächlich hat sich die Sicherheitslage in Kolumbien zwar deutlich verbessert, doch noch immer treiben zahlreiche bewaffnete Banden in dem Land ihr Unwesen. Drogenhandel, Schutzgelderpressung und illegaler Bergbau versprechen astronomische Gewinne. Sollten ihnen bei der Rückkehr ins Zivilleben nun Steine in den Weg gelegt werden, könnte ein Leben im Untergrund vielen ehemaligen Farc-Kämpfern wieder äusserst attraktiv erscheinen.

Die Resozialisierung ehemaliger Kämpfer ging bereits nach der Demobilisierung der rechten Paramilitärs Mitte der 2000er Jahre einmal gründlich schief. Viele von ihnen haben kriminelle Banden gegründet und sind in Drogenhandel und Menschenrechtsverletzungen verwickelt.

Das gespaltene Land einen

Der starke Mann hinter Duque ist der rechtsgerichtete Ex-Präsident Álvaro Uribe. «Die grosse Frage ist nun, ob Duque die Nabelschnur durchtrennt», sagt die Politikwissenschaftlerin Fabiola Calvo Ocampo. Nach Jahren des erbitterten Streits um den Friedensprozess und dem polarisierenden Wahlkampf muss Duque das gespaltene Land nun wieder einen. «Ich werde alles für ein geeintes Land tun. Keine weiteren Spaltungen mehr», kündigte der an.

Zudem erwarten die Kolumbianer vom neuen Präsidenten Antworten auf die Probleme des Alltags. «Statt um die grossen Schlagzeilen über den Frieden sorgen sich die Menschen um das Gesundheitswesen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die schlechte Sicherheitslage, steigende Steuer und niedrige Gehälter», sagt Calvo.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Uribe hat der scheidende Präsident Santos versprochen, sich nach dem Ende seiner Amtszeit nicht mehr in die Politik einzumischen. Er will sich nun anderen Dingen widmen. «Das Leben hat mit eine sehr wichtige Aufgabe übertragen», sagte der 66-Jährige, der gerade zum ersten Mal Grossvater wurde, kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. «Ich werde meine Enkelin verwöhnen.»

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