Regierung und Opposition in Venezuela stehen vor dramatischem Kräftemessen
Der südamerikanische Krisenstaat Venezuela steht vor einem dramatischen Kräftemessen zwischen Regierung und Opposition.
Das Wichtigste in Kürze
- Angespannte Sicherheitslage in Caracas vor zwei Grosskundgebungen.
Die Opposition um den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó rief für Samstag zu einer Protestkundgebung auf, die ihren Angaben nach die grösste in der Geschichte des Landes werden soll. Auch der linksnationalistische Präsident Nicolás Maduro rief seine Anhänger für Samstag auf die Strasse. Die US-Regierung forderte offen Maduros Sturz.
Guaidó will am Samstag mit dem «grössten Protestmarsch in der Geschichte Venezuelas und unseres Kontinents» seiner Forderung nach einem Rückzug Maduros Nachdruck verleihen. Die Kundgebung soll am Vormittag (Ortszeit, 15.00 Uhr MEZ) vor der Vertretung der Europäischen Union in Caracas starten.
Mit der Kundgebung will Guaidó auch das Ultimatum von mehreren europäischen Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, an Maduro unterstützen: Sie haben dem bedrängten Linksnationalisten bis Sonntag Zeit gegeben, um Neuwahlen zur Präsidentschaft anzusetzen. Sollte er das nicht tun, wollen sie Guaidó als Interimsstaatschef anerkennen - so wie vor ihnen bereits die USA, Kanada, Israel und mehrere lateinamerikanische Staaten.
Die Sicherheitslage in Caracas ist angespannt, es werden Zusammenstösse befürchtet. Denn zeitgleich mit dem Marsch der Opposition will Maduro auf einer Massenkundgebung seiner Anhänger den 20. Jahrestag der «Bolivarischen Revolution» feiern, mit der sein Vorgänger Hugo Chávez den potenziell reichen Ölstaat auf einen sozialistischen Kurs brachte. Diese Kundgebung findet etwa zehn Kilometer vom Marsch der Opposition entfernt statt.
Seit Beginn der jüngsten Unruhen am 21. Januar wurden in Venezuela nach UN-Angaben rund 40 Menschen im Zusammenhang mit den Protesten getötet, mehr als 850 wurden festgenommen.
Die USA verstärkten derweil den Druck auf Maduro. «Die Zeit ist gekommen, Maduros Tyrannei ein für allemal zu beenden», sagte US-Vizepräsident Mike Pence am Freitag in einer Rede vor Exil-Venezolanern in Miami. «Es ist nicht die Zeit für Dialog, es ist die Zeit für Taten.» Die Herrschaft des Linksnationalisten Maduro müsse «enden - und zwar jetzt». Die USA haben sogar einen militärischen Einsatz gegen Maduro bisher nicht ausgeschlossen.
Guaidó ist zu Gesprächen mit Maduro allenfalls bereit, wenn es dabei «um den Start des Prozesses der Machtübergabe und die Abhaltung freier Wahlen» gehe, schrieb Guaidó in einem Brief an die Präsidenten Mexikos und Uruguays, die in dem Konflikt vermitteln wollen. Ansonsten sehe er keinen Sinn in Verhandlungen.
Trotz enormen Ölreichtums hat Venezuela einen jahrelangen wirtschaftlichen Niedergang hinter sich. In dem Land herrscht Hyperinflation - der Internationale Währungsfonds rechnet für das laufende Jahr mit einer Teuerungsrate von zehn Millionen Prozent. Selbst Artikel des täglichen Grundbedarfs sind kaum mehr zu kaufen. Seit 2015 haben rund 2,3 Millionen Venezolaner ihr Land verlassen.
Maduro stützt sich im derzeitigen Machtkampf vor allem auf die Armee. Zu seinen ausländischen Verbündeten zählen Russland und China, ein wichtiger Kreditgeber Venezuelas.
Guaidó warb nun aber für eine «konstruktive Beziehung» zu China. Er sei bereit, «so bald wie möglich» mit Peking in den Dialog zu treten, zitierte die Zeitung «China Morning Post» Guaidó in ihrer Samstagsausgabe. Zudem versprach er, bilaterale Abkommen zu respektieren.
Das Aussenministerium in Peking hatte bereits am Freitag erklärt, die «pragmatische» Zusammenarbeit der vergangenen Jahre «unabhängig von der Entwicklung der Lage fortzusetzen».
Die Volksrepublik hat Venezuela in den vergangenen zehn Jahren Kredite in Höhe von 60 Milliarden Dollar (52,4 Milliarden Euro) gewährt. Das südamerikanische Land stottert seine Verbindlichkeiten mit Öllieferungen ab.