Labour-Parteitag beginnt ohne klare Linie zum Brexit
Das Wichtigste in Kürze
- Juncker räumt im Nachhinein Fehler der EU-Kommission ein.
Die 1200 Abgeordneten wollen am Montag darüber abstimmen, wie die Partei sich künftig im Ringen um den Austritt Grossbritanniens aus der EU verhalten soll. Parteichef Jeremy Corbyn stellte in der vergangenen Woche im «Guardian» in Aussicht, er werde sich für ein Referendum einsetzen, bei dem die Bevölkerung zwischen einem «glaubwürdigen Austritt» einschliesslich einer Zollunion mit der EU und einem Verbleib in der EU entscheiden könne.
Unter den Anhängern von Labour gibt es eine Lager-Bildung zwischen EU-freundlichen Städtern und Arbeiterbezirken, die sich bei dem Referendum 2016 klar gegen den Verbleib in der EU entschieden hatten. In den jüngsten Umfragen verliert Labour einerseits an die Brexit-Partei und andererseits an die Liberal-Demokraten, die sich klar zu einem Verbleib in der EU bekennen. In einer aktuellen Auswertung von Meinungsumfragen liegt Labour für den Fall von vorgezogenen Neuwahlen bei 24,5 Prozent der Stimmen, die regierende konservative Partei von Premierminister Boris Johnson mit ihrem harten Brexit-Kurs bei 35,5 Prozent.
Bei dem Parteitag in Brighton geht es aber auch um ein breites Spektrum von Themen vor allem mit gesellschaftspolitischen Aspekten, etwa um die Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich, die Abschaffung von Privatschulen und verstärkten Klimaschutz. Für Mittwoch ist eine Abschlussrede Corbyns vorgesehen.
Corbyn schneidet bei Meinungsumfragen extrem schlecht ab. Seine Beliebtheitswerte liegen derzeit so niedrig wie nie zuvor für einen Oppositionsführer seit vier Jahrzehnten. Er hat sich bislang nicht auf sein eigenes Abstimmungsverhalten bei Vorlagen zur Brexit-Thematik festgelegt.
Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker räumte in einem Interview mit der spanischen Zeitung «El País» (Sonntagsausgabe) ein, dass die EU-Kommission 2016 einen «grossen Fehler» gemacht habe, als sie sich auf Wunsch des damaligen britischen Premierministers David Cameron nicht in die Kampagne zur Abstimmung über den Brexit eingemischt habe. Die Kampagne sei von «Lügen und Falschnachrichten» geprägt gewesen, sagte Juncker zu der Abstimmung, bei der sich knapp 52 Prozent der Briten für den EU-Austritt aussprachen.
Das Ausscheiden Grossbritanniens aus der EU sei ein «tragischer Augenblick für Europa», sagte Juncker. Es gebe aber noch immer «eine Chance» für ein Abkommen mit London. Die Gespräche mit Johnson seien zuletzt «konstruktiv und teilweise positiv» verlaufen.